Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern und Gewerkschafterin.
Minus sechs Grad und alle Restaurants geschlossen. Es ist bald acht, die Briefträgerin nimmt ihr Sandwich und den Kaffeebecher und geht in den Pausenraum. Die meisten Kolleginnen und Kollegen sind schon draussen.
Kürzlich am frühmorgendlichen Briefing (hat nichts mit Brief oder Briefträgerin zu tun, sondern bedeutet neudeutsch «Einsatzbesprechung») informierte der Teamchef darüber, dass die Beachtung der Pausenvorschriften zur Chefsache erklärt worden sei. Da trotz wiederholten Mahnungen viel zu oft die Pausen nicht eingehalten würden. Zweimal Pause verpasst pro Monat – nach Auskunft des Scanners – heisst neu: Antraben im Chefbüro! – Eigentlich unglaublich …
Die Viertelstunde am Morgen war ihr immer schon heilig!
GESUNDHEIT. Die Mindestdauer der Pausen ist im Arbeitsgesetz geregelt. Die ersten Arbeitsgesetze entstanden als Folge der Forderungen und Aktionen der Arbeiter und Arbeiterinnen im 19. Jahrhundert. Sie hatten die Arbeitssicherheit und den Schutz der Gesundheit der Arbeitenden zum Zweck. Das ist auch heute noch so. Bei der Post ist die vorgeschriebene Viertelstunde Pause bei mehr als dreieinhalbstündiger Arbeitszeit bezahlt. Die Mittagspause nicht.
Eine Kollegin gestand im Gespräch, dass sie, gerade in Hochdruckzeiten, nicht selten auf die Pausen verzichte. Obwohl das ja aus gesundheitlicher Sicht wirklich nicht schlau sei. Die Briefträgerin trickste selber schon hin und wieder, wenn sie lieber früher nach Hause ging, als dass sie Mittagspause gemacht hätte. Aber das ist passé, und die Viertelstunde am Morgen war ihr immer schon heilig!
RAUCHEN? «Was versprecht ihr euch im Kampf um Arbeitsrechte von Leuten, die diese Rechte anscheinend gar nicht wollen?» fragte die Briefträgerin kürzlich einen Gewerkschafter. Er antwortete, dass diese Frage ihn seit dem Beginn seiner gewerkschaftlichen Tätigkeit begleite …
Während des obenerwähnten Briefings rief der Spassmacher der Truppe aus: «Ihr müsst nur mit Rauchen anfangen, dann kommt ihr mit Sicherheit auf genug Pausen!»