Andreas Rieger
Sie nennen ihn Super-Mario: Der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, soll jetzt Italien aus der Patsche helfen. Denn die bisherige Regierung unter Ministerpräsident Giuseppe Conte, getragen von der Linken und der Fünf-Sterne-Partei von Peppe Grillo, ist nicht mehr. Sie brachte keinen überzeugenden Plan zustande für die Verwendung der 209 Milliarden EU-Hilfsgelder für den Wiederaufschwung nach Corona. Aus Hunderten von Vorschlägen aus allen Ministerien bastelte Conte zwar ein Paket, das aber niemanden befriedigte. Am Schluss wurde er Opfer von parlamentarischen Machtspielchen. Jetzt soll es Super-Mario als neuer Ministerpräsident richten.
Die Flitterwochen der neuen Koalition halten wohl nicht lange.
ALLE WOLLEN MITMACHEN. Als Draghi für das Amt antrat, wollten plötzlich alle Parteien in seiner Regierung mit dabei sein. Sie denken, seine Regierung werde bestimmt populär sein. Noch mehr interessieren sie allerdings die 209 Milliarden Euro Hilfsgelder – und ihre Verteilung. Der scharfe Rechtsaussen-Hund Matteo Salvini von der Lega gibt sich plötzlich als gemässigter Pudel, denn seine Sponsoren, die Unternehmer in Norditalien, wollen von den Milliarden-Subventionen profitieren. Und Silvio Berlusconi sieht seine letzte Chance zur Wiederauferstehung und schmeichelt sich bei Draghi ein – selbstverständlich in Erwartung von Gegenleistungen. Die Linken und die Fünf-Sterne-Partei wollen ihrerseits in der Regierung bleiben und mitbestimmen. Nur die Postfaschistin Giorgia Meloni nutzt die Gelegenheit, sich als Opposition weiter zu profilieren.
GUTER HOFFNUNG. Draghis Regierung ist eine wahre Wundertüte: Viele bunte Smarties – auch vergiftete – stecken da drin: konsequente Linke, «unpolitische» Expertinnen und Experten, stramme Rechte. Trotzdem sind im Moment fast alle guter Hoffnung. Auch die Gewerkschaften – sie wurden von Mario Draghi freundlich konsultiert und bekamen einen linken Arbeitsminister.
Die Flitterwochen der grossen Koalition dürften aber nicht lange dauern. Draghi füllte seine Wundertüte, ohne ein verbindliches Programm zu formulieren. Ob so eine kompakte Regierung und ein gutes Paket für die 209 Milliarden entstehen kann? Und ob die gesprochenen Gelder dann auch in nützlicher Frist und zum geplanten Zweck eingesetzt werden können? Zweifel sind angebracht.
Andreas Rieger war Co-Präsident der Unia. Er ist in der europäischen Gewerkschaftsbewegung aktiv.