Wahlen in Kosova:
Grüsse aus Prishtina

Kosova hat gewählt. Unia-Mann Hilmi Gashi war dort – und berichtet von Aufbruchstimmung.

«Auch ich ging am 14. Februar wählen. Wie viele andere meiner kosovarischen Mitbürgerinnen und Mitbürger aus der Schweiz. Wegen der Pandemie hätte ich zwar lieber per Post gewählt. Doch das war mir zu unsicher. Wer in Kosova wählen wollte, musste sich in eine Wahlliste eintragen lassen. Dieser Registrierungsprozess für Auslandkosovarinnen und -kosovaren wurde nämlich erschwert: So riesig war die Angst der bisher regierenden korrupten Elite, die Machtverhältnisse im Land könnten sich wirklich ändern. Zu Recht! Denn die grosse Diaspora gilt als unabhängig und kritisch. Rund 800’000 Kosovarinnen und Kosovaren leben im Ausland und rund 1,9 Millionen im Land selber. Zusammen haben sie alle nun gesprochen – und die konservativen Regierungsparteien LDK und PDK in die Wüste geschickt. Für eine bessere Zukunft!

Die Mehrheit stimmte für eine
­bessere ­Zukunft.

MARODE SYSTEME

Jede vierte Person in Kosova lebt in Armut. Darunter sehr viele Arbeiterinnen und Arbeiter. Sie sind die ­eigentlichen Verlierer der chaotischen und intransparenten Privatisierung der letzten zwanzig Jahre. Das Volksvermögen wurde verscherbelt, zu lächerlichen Preisen. Wo einst Fabriken und Werkstätten standen, stehen heute Einkaufszentren. Reich geworden sind einige wenige. Das Gesundheitssystem ist marode, ebenso das Schulsystem. Die bisherigen Bildungsminister schickten ihre Kinder in teure Privatschulen.

Davon hatte eine Mehrheit jetzt genug und gab ihre Stimme der linksnationalistischen Reform­bewegung Vetëvendosje (Selbst­bestimmung) von Albin Kurti und seiner Mitstreiterin Vjosa Osmani. Darunter 61 Prozent der Frauen! Und auch ich.

HOFFNUNGSTRÄGER

Kurti ist politisch schon lange unterwegs, er war Studentenführer und politischer Gefangener der Serben. Schliesslich gründete er 2005 seine Oppositionsbewegung Vetëvendosje. Ich habe schon mehrmals mit Osmani und Kurti und seinen engsten Mitstreitern diskutiert. Was sie wollen, ist vernünftig. Sie wollen Corona bekämpfen und auch die grösste Plage im Land, die grassierende Korruption. Sie wollen einen Mindestlohn von 250 Euro einführen. Und einen Elternurlaub. Kurti ist eine charismatische Figur: Wer seine Entschlossenheit sieht und jene von Osmani, glaubt sofort, dass diesem Powerpaar das auch gelingen wird.»

*Hilmi Gashi (54) wurde in Kosova geboren, kam 1988 nach Bern. Ursprünglich als Saisonnier auf dem Bau. Seit 15 Jahren arbeitet er bei der Gewerkschaft Unia. Er lebt mit seiner Familie in Muri bei Bern.



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