Der Chauffeurverband Routiers Suisse sucht Restaurants, die trotz Lockdown Lastwagenfahrerinnen und -fahrer bewirten, die abends nicht nach Hause kommen. Eine gutgemeinte Aktion.
ON THE ROAD: Fahrerinnen und Fahrer können in Restaurants essen, die für sie trotz Lockdown offen haben. (Foto: Truck-Servicecenter)
Doris und Rolf Bösch führen seit zwei Jahren das Restaurant Liebenau in Kollbrunn ZH. Eine gemütliche ländliche Beiz im Tösstal, gutbürgerliche Küche, erschwingliche Preise. Der grosse Parkplatz kann auch LKW aufnehmen, und sie sind hier gern gesehen. Rolf Bösch hat selbst 25 Jahre als Chauffeur gearbeitet, bis er aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste. Allerdings ist die Tösstalstrasse, die am Haus vorbeiführt, «nicht gerade eine Hauptstrecke», sagt Ehefrau Doris. Einzelne Trucker seien trotzdem vorbeigekommen. Allein von ihrer Bewirtung könne das «Liebenau» aber sicher nicht leben.
ZNACHT FÜR ROUTIERS: Doris und Rolf Bösch vom Restaurant Liebenau in Kollbrun ZH. (Foto: Routiers Suisse)
SOLIDARITÄT
Trotzdem haben sich die Böschs Mitte Januar gleich einer Aktion des Chauffeurverbandes Routiers Suisse angeschlossen. Er sucht während des Lockdowns Restaurants, die bereit sind, im Sinne einer «Betriebskantine» nach der Covid-19-Verordnung abends für Chauffeure zu öffnen, die auswärts übernachten müssen. Die Ausnahmeregelung hatte der Verband mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) ausgehandelt. Und dessen Vorgaben sind klar: Mitmachen können nur jene Restaurants, die einen genügend grossen Parkplatz für die Lastwagen bieten. Und nutzen können das Angebot nur Fahrerinnen und Fahrer, die sich vorab angemeldet haben und auf dem Parkplatz in ihren Kabinen auch übernachten. Zudem ist der Betrieb nur in den Abendstunden zwischen 17 und 22 Uhr gestattet. David Piras, der Generalsekretär der Routiers, sagt: «Damit wollte das BAG verhindern, dass auch Beschäftigte anderer Branchen die Möglichkeit nutzten, mittags an eine warme Mahlzeit zu kommen.» Unter diesen Bedingungen ergebe sich für die unter dem Lockdown gebeutelten Wirtinnen und Wirte nicht gerade ein neues Geschäftsmodell. Landesweit hätten sich bis Anfang Februar etwa 60 Betriebe gefunden. Der Verband veröffentlicht sie auf einer laufend aktualisierten Liste im Internet (rebrand.ly/routiers). So werde vielleicht 700 bis 800 Chauffeuren geholfen, meint Piras. Wer sein Lokal an Hauptverkehrsachsen habe, könne vielleicht mit 15 bis 20 abendlichen Gästen rechnen, alle anderen aber öffneten die Küche rein aus Solidarität.
«Die meisten öffnen ihre Küchen aus Solidarität.»
MARKETING
Das gilt auch für Familie Bösch in der «Liebenau». Am Abend unseres Gesprächs hätten sie genau einen Gast gehabt, «und gestern war es auch nur einer», erzählt Doris Bösch. Bisher habe es bei ihnen immer gereicht, wenn sie etwas mehr als für ihr eigenes Znacht angerichtet hätten. Einen Verdienst hätten sie damit nicht, aber im geschlossenen Restaurant immerhin «etwas Struktur». Und sie wollen das Angebot auf jeden Fall «durchziehen», solange sie andere Gäste nicht bedienen können.
Genügend LKW-Verkehr herrscht auf der A 1 von Zürich nach Bern. Die Raststätte Deitingen Nord steht auch auf der Routiers-Liste. Wie die Aktion bei ihnen laufe? Eine Sprecherin der Raststätte sagt: «Ich habe mal davon gehört.» Und die zuständige Chefin des Shops sagt über zusätzliche abendliche Gäste: «Eigentlich habe ich noch niemanden gehabt.»
Immerhin ist in der Raststätte jemand ansprechbar, im Gegensatz zum «Youcinema» in Oftringen AG. Das «Eventzentrum» lässt sich in der lokalen Presse und auf Facebook dafür feiern, dass es während der Pandemie gratis «zum Zuhause für Chauffeure» geworden sei. Wie man überhaupt in dieses Zuhause kommt, ist aber rätselhaft: Tagelang ist auf der angegebenen Telefonnummer, unter der sich die Fahrer anmelden sollen, lediglich eine schon ältere Tonbandansage zum eingestellten Kinobetrieb zu hören. Und auch auf eine schriftliche Anfrage antwortet niemand.
Bei der Aktion mitzumachen sei doch nur Werbung, sagt Rolf Grob, der Sprecher des Truck-Servicecenters im Embrach ZH. In der Umgebung seines Betriebs gebe es grosse Speditionen, LKW-Kundschaft habe er deshalb genug. Aber er biete nur zwei Einstellplätze für Fahrer, die bei ihm übernachten wollten. Und Duschen gebe es für sie nicht, sie würden auch nicht verlangt: «Wie viele Fahrer duschen schon jeden Abend?» Seit Beginn der Routiers-Aktion habe sich jeweils ein neuer Gast abends bewirten lassen. Zusätzliches Personal brauche er dafür nicht, und er lebe auch in normalen Zeiten nicht vom Restaurant. Das Geschäft mache er mit der Waschanlage und dem Verkauf von Adblue-Produkten zur Schadstoffreduktion von Dieselmotoren an der Tankstelle.