Sie kann Kommunikation. Das hat die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern gelernt. Die Chefin der Labour-Partei weiss, dass Politik zuerst Wort werden muss, bevor sie Politik sein kann. Doch was tut die kluge Jacinda Ardern konkret?
PREMIER UND CORONA: Ardern an einer Pressekonferenz im Mai 2020. (Foto: Getty)
Kein Getöse. Anfang 2020 verkündete sie den Lockdown, der das Leben des Landes abrupt auf «Pause» stellte. Heftig. Also setzte sie sich zu Hause im Schlabber-Pulli auf ein Sofa und entschuldigte sich für das Tenue: Kleine Kinder ins Bett zu bringen, sagte sie, sei manchmal eine ziemlich komplizierte Sache. Dann spricht sie geradeheraus darüber, was jetzt zu tun sei. Sie tut es in schlichten Worten, da ist kein Getöse, sie verspricht nichts, beschönigt nichts, rechtfertigt nichts. Sie nennt die Neuseeländerinnen und Neuseeländer «mein Team von 5 Millionen». Sie gibt ihnen das Wort, beantwortet eine Stunde lang ihre Fragen zu Dingen wie Lohnersatz oder steigendem Fieber. Ardern wird dies täglich tun. Da ist eine Regierungschefin, die sich kümmert.
Gegenschnitt: 20 Uhr, alle französischen TV-Stationen sind auf den Elysée-Palast gleichgeschaltet. Marseillaise, Trikolore-Fahnen, und Präsident Emmanuel Macron verkündet mit Tremolo, Frankreich befinde sich im Krieg gegen die Epidemie. Er, der weisse Ritter, werde die Französinnen und Franzosen retten, wenn sie seinen Befehlen gehorchten. «Krieg» sagt er in dreissig Minuten 14 Mal. Und gefühlte 200 Mal «Ich». Also verfiel Frankreich in Panik – und Protest.
In der Hysterie der sozialen Medien fährt sie den Tonregler runter.
NOCH FRAGEN?
Der Kontrast ist frappierend: Jacinda Ardern hält es lieber mit dem Prinzip «no bullshit!» (kein Blödsinn!). Als man sie fragte, warum sie ihre dreimonatige Tochter an die Uno-Generalversammlung mitgenommen habe, sagte sie: «Ich gebe ihr die Brust. Ich will sie am Leben halten. Und gleichzeitig meinen Job hier machen.» Noch Fragen?
Niemand sollte sie unterschätzen. In der dauerschrillen Hysterie der sozialen Medien fährt Ardern den Tonregler runter, um besser gehört zu werden. Das ist bedachte Strategie, Teil eines grösseren Projekts. In ihrer programmatischen Rede, in der sie den Slogan «be strong, be kind» (sei stark, sei fürsorglich) einführte, sagte sie lächelnd, die einzelnen Silben trennend: «kind-ness». Das Wort war wie ein sehr scharfes Messer.