Corona-Amokiade im Bundeshaus:
Die Rechten drehen durch

Die SVP bewirtschaftet die Not und Verwirrung der Menschen, die sie selber angerichtet hat. Vorne ­dabei: Ueli Maurer, SVP-Finanzminister. Und die FDP und «Die Mitte» (Ex-CVP) höselen einmal mehr hinterher.

SCHEIBE! Die rechte Parlamentsmehrheit will die Pandemie per 22. März für beendet erklären. SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher am Rednerpult. (Foto: Keystone)

Den Expertinnen und Experten den Mund verbieten. Die Schiessstände wieder öffnen. Die Regierung entmachten. Und die Pandemie mit rechtem Mehrheitsbeschluss per 22. März für beendet erklären. Was tönt wie aus einer südamerikanischen Bananen­republik oder aus den Trump-USA, ist unterdessen Schweizer Realität. Die Rechten drehen total durch – und dabei haben sie die Mehrheit im Bundesparlament (und übrigens auch im Bundesrat).

Die Coronazahlen stagnieren und steigen gar wieder. Bis Redaktionsschluss dieser work-Ausgabe sind in der Schweiz über 9300 Menschen offiziell an oder mit Corona gestorben. Seit Beginn der Pandemie erkrankten rund 560’000 Menschen. Die zertifizierten Notfallbetten sind zu 84 Prozent belegt. Gerade mal 3 Prozent der Bevölkerung sind vollständig geimpft. Alles keine Erfolgsmeldungen.

MAULER MAURER

Eigentlich ist Pandemiebekämpfung ganz einfach, trotz schwierigen Massnahmen: je weniger Kontakte, desto weniger Ansteckungen. Das begreift jedes Primarschulkind. Nicht aber viele rechte Politikerinnen und Politiker. Oder sie stellen sich dümmer, als sie sind. Und eigentlich wäre es für reiche Länder wie die Schweiz ein Leichtes, die Folgen der Pandemiebekämpfung für Lohnabhängige und KMU abzufedern. Doch seit Pandemiebeginn weigert sich die Rechte, wirksame Massnahmen zu beschliessen. Geld ist genug da, man müsste es nur richtig verteilen wollen. Doch SVP-Bundesrat Maurer mault jedesmal, wenn er von der Regierungsmehrheit oder dem Parlament dazu verpflichtet wird, Geld auszugeben für die Linderung der Folgen der Pandemiebekämpfung. Wobei: jedesmal ist nicht ganz korrekt. Als es darum ging, die Banken und Versicherungen zu retten mit einem vermeintlichen KMU-Kredit-­Programm, war Maurer fleissig und aufgedreht dabei. Und auch beim Millionenprogramm für die Flugindustrie tat der Aderlass Maurer nicht sonderlich weh. Auch wenn vom Bundesgeld zuerst mal die Manager-Boni bezahlt wurden. Bei den Kitas und der Kultur aber klemmt er.

Mehr Politikversagen war selten in diesem Land. Kein Wunder, dass immer mehr Menschen verzweifeln!

RECHTE VERSAGER

Doch Maurer ist nicht allein. Denn seine «Kä-Luscht»-Haltung haben ihm die sogenannten Wirtschaftsverbände auch einfach gemacht. Und das von Marktgläubigen beherrschte Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat zuverlässig die erwünschten Zahlen geliefert. Eine 100prozentige Entschädigung der Kurzarbeit für untere und mittlere Einkommen ist auch noch ein Jahr nach Pandemieausbruch nur rudimentär gewährleistet. Die Geschäftsmieten sind voll geschuldet, weil die rechte Mehrheit eine Entlastungslösung gebodigt hat. Angeblich, weil die Immobilien-Haie «eigenverantwortlich» mit ihren Mietenden ­Lösungen fänden. Was natürlich nicht passierte. Im Gegenteil: diese beziehen sich jetzt auf die Parlamentsmehrheit und beharren auf der vollen Bezahlung der Miete auch von Firmen, die pandemiebedingt geschlossen sein mussten und müssen. Und die Auszahlung der sogenannten Härtefallgelder hat die Mehrheit der Kantone so wenig im Griff wie das Contact-Tracing. Kein Wunder, sind immer mehr Menschen verzweifelt.

VERZWEIFELTE MENSCHEN

Verzweifelt, weil sie ihr kleines Geschäft den Bach hinuntergehen sehen. Verzweifelt, weil sie ohne Umsatz Miete bezahlen müssen. Verzweifelt, weil sie mit 20 Prozent weniger Lohn auskommen müssen (siehe auch Seite 5). Verzweifelt, weil nicht einmal die Härtefallgelder halbwegs zeitig kommen. Alle diese Menschen am Rand des Nervenzusammenbruchs sind aufgebracht. Zu Recht. Doch manche von ihnen richten ihren Zorn auf die Falschen – den Bundesrat und seine Massnahmen zur Pandemiebekämpfung. Dabei wären zum Beispiel die Wirtinnen und Wirte viel besser dran, wenn «ihr» Verband im letzten Frühsommer statt «Öffnung» zu schreien, auf Entschädigungen analog unseren Nachbarländern gesetzt hätte. Das gleiche gilt für die Gewerbetreibenden, deren Verband ebenfalls ideologisch unterwegs ist – statt im Interesse seiner Mitglieder.

HETZE STATT HILFE

Auch die rechte Mehrheit im Parlament hat Gewerbe und KMU im Stich gelassen. Allen voran die SVP und die FDP. Um von ihrem Versagen abzulenken, hetzen sie nun lieber, statt zu helfen. Die rechte Mehrheit der Wirtschaftskommission des Nationalrates fordert ein sofortiges Ende der wirksamsten Pandemiebekämpfungs-Massnahmen. Mit Stimmen von SVP, FDP, «Mitte» (Ex-CVP) und aus der GLP erliess der Nationalrat eine «Erklärung», in der er quasi die Pandemie für beendet erklärt. Noch weiter will die SVP gehen, FDP und Mitte einmal mehr durchs Dorf treiben. So will etwa Migros-Metzger Mike ­Egger (SVP) den Bundesrat absetzen lassen. Bei dieser Corona-Amokiade stören die Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnisse: darum wollen die Rechten auch gleich noch den Wissenschafterinnen und Wissenschaftern der Corona-Taskforce das Maul stopfen. Mehr Politikversagen war in letzter Zeit selten in diesem Land.

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