Bevor er zur Gewerkschaft kam, habe er, etwa an Demos, wesentlich mehr Tränengas und Verhaftungen erlebt als in den fünfundzwanzig Jahren seither. Das sagt Unia-Bauchef Nico Lutz (50). Angriffe gegen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter seien zum Glück die Ausnahme. Doch wenn sie vorkämen, müsse man scharf reagieren.
Unia-Geschäftsleitungsmitglied Nico Lutz. (Foto: Manu Friedrich)
work: Unia-Mann Aymen Belhadj wurde vor einem DPD-Depot von einem wütenden Fahrer fast überfahren. Wie oft passiert so etwas?
Nico Lutz: Das ist aussergewöhnlich krass. Deshalb erstatten wir auch Anzeige. So was darf nicht sein! Wir dürfen uns aber auch nicht einschüchtern lassen. Risiken gehören ein Stück weit zum Gewerkschaftsjob dazu: Wer sich engagiert, steht manchmal auch im Gegenwind. Das soll aber nicht heissen, dass wir uns Übergriffe gefallen lassen müssen. Auch polizeiliche nicht. Was Unia-Frau Tabea Rai und ihrem Kollegen Julien Mayor auf dem Polizeiposten der Berner Stadtpolizei passiert ist, ist völlig unverhältnismässig und inakzeptabel (siehe Artikel links oben).
«Hände in den Hosensack und sich nicht provozieren lassen.»
Aber es gibt doch immer mal wieder Konflikte und Rempeleien zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaftsleuten …
… wenn Menschen in Konfliktsituationen die Sicherung durchbrennt, kommt es manchmal zu Kurzschlusshandlungen. Ein Bauführer droht dann schon mal mit einem Werkzeug. Oder in Genf geschehen: da fuchtelte ein Vorgesetzter plötzlich mit einem Gewehr herum. Später stellte sich heraus, dass es eine Attrappe war. Aber wir haben dennoch Anzeige gemacht. Generell leben wir aber nicht wirklich gefährlich. Das sind Einzelfälle.
Kommt es auch vor, dass Ihre Seite mal die Nerven verliert?
Seltenerweise ist auch das schon passiert. Und auch da reagieren wir sofort. Um das zu vermeiden schulen wir unsere Leute, bevor sie aufs Terrain gehen. Wir klären sie über ihre Rechte auf, etwa das Recht des Zutritts auf Baustellen. Konflikt-Handling ist ein weiteres Thema der Ausbildung: Vor einer Aktion gilt es, sich der möglichen Risiken bewusst zu werden. Aktionen bedürfen einer sorgsamen und sorgfältigen Planung. Also nicht dreinschiessen! Konkret raten wir: Bestimmt in der Sache auftreten, nicht nachgeben, aber ruhig mit dem Gegenüber reden.
Und wenn’s doch eskaliert?
Da versuchen wir zu deseskalieren: Hände in den Hosensack und sich nicht provozieren lassen. Aber bestimmt unsere Rechte wahrnehmen.
Und wenn das Gegenüber die Polizei ist?
Da gelten dieselben Verhaltensregeln. Wir müssen die Polizistinnen und Polizisten übrigens regelmässig darüber aufklären, dass es ein Streikrecht gibt und sich die Polizei in Arbeitskämpfen neutral zu verhalten hat. Leider tut sie das nicht immer.