In Buenos Aires geht die geschasste Swissjust-Belegschaft in die Offensive. Schon rumort es in einem zweiten Werk. Und auch am Just-Stammsitz in Walzenhausen AR sind nicht alle glücklich.
GAR NICHT SONNIG: Sanfte Kosmetik – knallharte Methoden? Beim Schweizer Kosmetikkonzern ist nicht alles grün, was blüht. (Foto: Youtube)
Ob Kräutersalben, Beauty-Crèmes oder Wunderwässerchen – in der Welt der Naturkosmetik mischt die Appenzeller Just AG ganz vorne mit. Das schlägt auf die Bescheidenheit. Man produziere nur «s Beschti für di ganzi Welt», behauptet etwa Patron Hans-Ueli Jüstrich im neusten Werbevideo. Und die Firmenhomepage verkündet, man «lebe» Transparenz und Ehrlichkeit «auf allen Ebenen». Ganz wichtig sei auch die «unternehmerische Sozialverantwortung». Schliesslich sei Just ein «sicherer und attraktiver Arbeitgeber», bei dem «der Mensch immer im Mittelpunkt» stehe. Eine ganz andere Erfahrung gemacht haben allerdings die 52 Logistikmitarbeitenden von Swissjust Argentina. Dieses Partnerunternehmen der Just AG liess in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ein Verteilzentrum räumen und die Belegschaft aussperren. Doch derart abservieren liessen sich die Compañeros nicht. Sie besetzten kurzerhand «ihre» Fabrik. work berichtete (nachzulesen: rebrand.ly/justag). Jetzt gehen sie noch einen Schritt weiter.
«Arbeiter haben uns die Namen der Chefs genannt, die sie misshandeln.
PROTESTCAMP ERRICHTET
Anfang letzter Woche fuhr die widerständige Belegschaft nach General Rodríguez, einem Vorort der Riesenmetropole Buenos Aires. Dort steht die Produktionshalle von Just Argentinien – und jetzt auch ein buntes Protestlager! Mit Zelten, Trommeln und einer mobilen Küche haben sich die geschassten Arbeiterinnen und Arbeiter installiert. Dazu Logistiker Mardonio Racedo: «Solange das Management sich nicht an den Verhandlungstisch bequemt, werden wir nicht weichen!» Eine Haltung, die viel Unterstützung erfährt. Etwa von Romina del Plá. Sie ist Abgeordnete des Nationalkongresses und Präsidentin der Arbeiterpartei. Während ihres Besuches rief sie zur Menge: «Für die versteckten Entlassungen gibt es keine Entschuldigung. Euer Kampf ist auch mein Kampf!»
GEKAUFTE PERSONALVERTRETER
Gar keine Freude an solcher Unterstützung hat jedoch die Konzernleitung. Kaum war das Protestlager errichtet, klingelte beim Arboner Unia-Sekretär Lukas Auer das Telefon. Er hatte sich zuvor am Hauptsitz in Walzenhausen für die argentinischen Kolleginnen und Kollegen ins Zeug gelegt. Und dem Just-Geschäftsführer Heinz Moser eine Standpauke gehalten. Nun beschwerte sich Moser beim Gewerkschafter – über die Aktionen in Argentinien. Auf Anfrage konkretisiert der CEO: «Mitarbeitende werden beim Eintreffen und Verlassen des Fabrikgeländes auf unterschiedliche Art bedrängt.» Ausserdem würden Transportwege blockiert und so letztlich «Stellen und Erwerbseinkommen gefährdet».
All das weist Gustavo Córdoba weit von sich. Als Gewerkschaftssekretär der CIS-CTA ist er täglich vor Ort und sagt: «Unsere Klage richtet sich nicht gegen die Arbeitenden, sondern gegen die Geschäftsleitung.» Dass diese jetzt nervös werde, habe einen ganz anderen Grund. Schwere Missstände herrschten nämlich auch am Produktionsstandort von Just.
Gewerkschaftsmann Córdoba: «Als wir hier aufkreuzten, kamen sofort diverse Arbeiter zu uns und baten um Hilfe.» Alle hätten drei zentrale Probleme benannt: Erstens gebe es keine freien Betriebsratswahlen, die bestehende Personalvertretung sei eine Marionette der Geschäftsleitung und nicht von der Belegschaft gewählt, sondern gekauft. Zweitens herrsche im Betrieb die reinste Günstlingswirtschaft. Nur Mitarbeitende, die vor den Chefs buckelten, erhielten angenehme Schichten. Und drittens komme es regelmässig zu Demütigungen durch Vorgesetzte. Córdoba sagt: «Die Arbeiter haben uns die Namen der Chefs genannt, die sie anschreien und misshandeln.»
AUFSTAND IN ARGENTINIEN: In Buenos Aires schloss Swissjust mit Wildwestmethoden eine Fabrik. Die Arbeiterinnen und Arbeiter haben diese jetzt besetzt. Sie fordern Verhandlungen mit dem Management. (Foto: ZVG)
«ZUVERLÄSSIGER ARBEITGEBER»
Was sagt dazu Just-CEO Moser? Just Argentinien sei «ein zuverlässiger und stabiler Arbeitgeber», der auf die Bedürfnisse seiner Arbeitnehmenden eingehe und diese «so weit wie möglich berücksichtigt». Deshalb habe es seit Beginn des Unternehmens vor 27 Jahren «nie grössere Arbeitskonflikte» gegeben. Dass aber «gewisse Entscheidungen» von «einer Minderheit» in Frage gestellt würden, könne man nie ausschliessen. Ob Minderheit oder nicht – die Kritik wiegt schwer. Und kommt jetzt sogar vom Stammsitz in Walzenhausen.
SABOTAGE IN WALZENHAUSEN
Nach dem letzten work-Bericht meldete sich eine Person aus dem Appenzeller Betrieb. Sie will anonym bleiben, denn sie sagt: «Auch hier hat sich das Klima in letzter Zeit verschlechtert. Es gibt Demütigungen und Druck von ganz oben. Auch mehrten sich fragwürdige Entlassungen. Aus Frust hat jemand sogar einen Sabotageakt verübt. Bei einer Produktionsanlage wurden die Kabel durchgeschnitten. An diesem Tag lief gar nichts mehr.»
Brodelt es etwa auch in Walzenhausen? Geschäftsführer Moser winkt ab und betont, dass die Just AG für ihre schweizweit gut 300 Mitarbeitenden überdurchschnittliche Leistungen erbringe. Etwa bezüglich der Ferien, bezahlter Pausen, Treueprämien, Weiterbildungen oder Sonderzahlungen. Moser: «Im direkten Kontakt mit unseren Mitarbeitenden stelle ich immer wieder mit Freude fest, dass die grosse Mehrheit diese Aspekte sehr schätzt.» Laut Unia-Mann Auer betrafen die Klagen von hiesigen Mitarbeitenden bisher tatsächlich eher den Umgangston der Teppichetage. Nicht aber Löhne und Sozialleistungen. Deshalb sagt Auer: «Wenn hier anständige Bedingungen gelten, dann darf man das auch für die Just-Tochter- und -Partnerfirmen in Argentinien erwarten.»