Das gab’s noch nie: Mit 58 Frauen zu 42 Männern sitzen erstmals in einem Kantonsparlament mehr Frauen als Männer.
FRAUEN FÜR FRAUEN: Stimmenzählung in Neuenburg. (Foto: Keystone)
Exakt 50 Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechts auf Bundesebene triumphiert der Kanton Neuenburg als erster Frauenkanton in der Schweizer Geschichte. Eine faustdicke Überraschung! Im bisherigen Kantonsparlament hatte der Frauenanteil noch bei 34 Prozent gelegen, nur wenig über dem schweizerischen Durchschnitt. Auf den Wahllisten zum neuen Parlament waren es im Schnitt aller Parteien immerhin 40 Prozent Frauen. Aber die Neuenburgerinnen und Neuenburger wollten mehr. Und so sprang der Frauenanteil nun gleich 24 Prozentpunkte nach oben.
Es sind die linken Parteien, die jetzt am meisten Frauen ins neue Parlament schicken können: Bei den Grünen sind 78 Prozent aller Gewählten Frauen, bei der SP 71 Prozent. In der grössten Fraktion, der FDP, liegt der Frauenanteil nur bei 41 Prozent. Insgesamt bleibt der Neuenburger Grosse Rat weiterhin bürgerlich, wenn auch knapp.
Der Frauenstreik hat auch in Neuenburg gewirkt.
FRAUENSTREIK SEI DANK
Der Frauenstreik von 2019 hat damit auch in Neuenburg gewirkt. Landauf, landab werden seit zwei Jahren die Parlamente weiblicher: Im Nationalrat sitzen seit den letzten Wahlen 42 Prozent Frauen. Noch davor, im Vorfeld des Frauenstreiks, wählten schon die Kantone Zürich und Baselland je 40 Prozent Frauen in ihre Parlamente. Basel-Stadt folgte im vergangenen Jahr mit 42 Prozent. Und die Städte Bern, Lausanne und Freiburg haben seit den letzten Wahlen eine Frauenmehrheit im Gemeindeparlament. In seiner Analyse auf Swissinfo kommentiert Politologe Claude Longchamp: «Die Zeichen stehen nicht direkt auf Sturm, aber es gibt anhaltende Veränderungen.» Interessant in diesem Zusammenhang auch die nationalen Wahl-Nachbefragungen der Uni Lausanne von 2019: Die weibliche Wählerschaft in der Schweiz sei nach links gerutscht, so die Analyse. 46 Prozent der Frauen wählten SP, Grüne oder Grünliberale. Bei den Männern war es nur ein Drittel.
MÄNNER UNTER SICH
Zählt man die Sitze aller Kantonsparlamente zusammen, so liegt der Frauenanteil gesamtschweizerisch jetzt bei 31,8 Prozent. Dieser Anteil nimmt seit zwei Jahren deutlich zu, nachdem er jahrelang um die 25 Prozent stagniert hat. Noch kaum Bewegung gibt’s dagegen in den Kantonsregierungen: Erst ein Viertel aller Mitglieder sind weiblich. Fast gleich wenig wie vor acht Jahren. Damals war immerhin in jeder Kantonsregierung mindestens eine Frau vertreten. Heute nicht mehr: In sieben Kantonen, darunter Luzern, Aargau, Wallis und Uri, sind die Männer mittlerweile wieder unter sich.