Mindestlohninitiative Basel: Kleinkindererzieherin Pellegrino (26) hofft auf ein Ja
«200 Franken mehr Lohn wären ein Riesenunterschied!»

Wird die Mindestlohninitiative in Basel am 13. Juni angenommen, können 15’000 Menschen mit Tieflöhnen endlich aufschnaufen. Eine davon ist die ­Kinderbetreuerin ­Deborah Pellegrino.

DEBORAH PELLEGRINO: Trotz Lehrabschluss und Berufserfahrung verdient die Kleinkinder­erzieherin nur 3400 Franken im Monat für ein 90-Prozent-Pensum. (Foto: Stephan Bohrer)

Trotz Lehrabschluss und acht Jahren Berufserfahrung verdient Deborah Pellegrino nur 3400 Franken im Monat. Für ein 90-Prozent-Pensum. Das letzte Mal richtig in den Ferien war sie deshalb vor 12 Jahren, noch als Teenager. «Das war in Italien mit den Eltern», erzählt sie. Heute bleibe sie in den Ferien meist in Basel, sagt die Frau im weiten Flanellhemd: «Wenn ich zwei Wochen Ferien habe, bestelle ich eine Tageskarte oder ein Sparbillett der SBB.» Dann fährt sie für einen Tag nach Bern oder nach Zürich.

SCHLAFLOSE NÄCHTE

Ein einziges Mal habe sie auswärts übernachtet in den letzten Jahren. Im Ibis-Budget-Hotel in Lugano. Für 75 Franken: «Aber dann hintersann ich mich tagelang: Habe ich jetzt über meine Verhältnisse gelebt?» Mit 3400 Franken Lohn auszukommen bedeutet für die Kleinkindererzieherin vor allem Stress: «Ich muss die Rechnungen bezahlen, bevor die zweite Mahnung kommt. Sonst wird es noch teurer.» Sie habe oft schlaflose Nächte oder Bauchweh. Und sie sagt: «Die Schweiz ist ein wohlhabendes Land. Es sollte nicht sein, dass Geldsorgen den jungen Leuten so auf die Psyche schlagen!»

«Geldsorgen sollten jungen Leuten nicht so auf die Psyche schlagen!»

T-SHIRT ODER ZNACHT

Ein gesetzlicher Mindestlohn soll das in Basel-Stadt jetzt ändern (siehe Box). Die Mindestlohninitiative der Gewerkschaften verlangt einen minimalen Stundenlohn von 23 Franken für alle, das sind bei einer Vollzeitstelle rund 4000 Franken im Monat. Pellegrinos Lohn wäre dann 3780 Franken für ein 100-Prozent-Pensum. «Zweihundert Franken, das wäre ein Riesenunterschied», sagt sie. Und erzählt: Kürzlich habe sie ein T-Shirt gekauft. Für 10 Franken. Und sich danach gefragt, ob sie für das Geld nicht gescheiter einen Znacht in der Migros gekauft hätte. Mit diesen 200 Franken mehr läge beides drin. Und auch ab und zu ein Mu­seums- oder Kinobesuch, sagt Pellegrino. Oder eben: Ferien! Heute muss sie bei dem sparen, was guttut.

Trotzdem macht Pelle­grino ihren Job «mega gern». Sie sagt: «Ich weiss, dass es das Selbstwertgefühl stärkt, wenn die Kinder in der Kita Liebe und Zuneigung erfahren. Und dass sie das mitnehmen für den Rest des Lebens.»

Sie wünschte sich aber einfach mehr Wertschätzung für diese Arbeit. In der Form eines guten Lohns. Denn: «Was ist das für eine Aussage von unserer Gesellschaft, dass wir einer Kleinkindererzieherin nur 3400 Franken zahlen und einem Banker 10’000? Die Politiker sagen doch immer, Kinder seien das Wichtigste.»

Mindestlohn: Basel hat die Wahl

Alle sollen von einer Vollzeitstelle leben können: Das verlangt die Initiative der Gewerkschaften, über die Basel-Stadt am 13. Juni abstimmt. Bei ­einem Ja gilt künftig ein gesetzlicher Mindestlohn von 23 Franken pro Stunde.

KANTON NR. 5: Nach Neuenburg, Jura, Tessin und Genf wäre Basel-Stadt damit der erste Kanton in der Deutschschweiz mit einem gesetz­lichen Mindestlohn.

Alles über Mindestlöhne in den Kantonen und in Europa im work-Dossier: rebrand.ly/kanton-um-kanton.

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