Broker sahnen im Geschäft mit Pensionskassen Millionen ab. Meist auf Kosten der Erwerbstätigen, deren Renten ständig sinken. Der Ständerat findet das okay.
VON WEGEN GUT GEPOLSTERT: In der zweiten Säule steigen die Lohnabzüge und sinken die Renten, weil mit dem Geld der Versicherten im Finanzcasino gespielt wird. Zusätzlich bedienen sich Broker schamlos. (Foto: Keystone/ iStock / Getty)
180 Millionen Franken: So viel fliesst geschätzt jedes Jahr in die Taschen von Vermittlern im Pensionskassengeschäft. Und das soll auch so bleiben. Der Ständerat hat es vor wenigen Tagen abgelehnt, die Profite der Broker zu beschränken. Man sehe keinen Handlungsbedarf, blockte die bürgerliche Mehrheit ab. Sie befürchtete eine «Beratungslücke». Dabei haben sich inzwischen üble Praktiken etabliert. Ganze Gruppen von Versicherten werden an die meistbietenden Kassen verhökert. Und der Clou: Teils bezahlen dies die Versicherten auch noch selber (siehe Box «So läuft das Broker-Business»).
Die rechten Parteien schützen die Abzocker bei den Pensionskassen.
CHEFS SOLLEN ZAHLEN
Eliane Albisser, Geschäftsleiterin des gewerkschaftsnahen PK-Netzes, ist entsetzt: «Der Entscheid ist ein Affront für die Versicherten.» Das PK-Netz hat in den letzten Jahren zusammen mit den Gewerkschaften und der Linken viel Energie in die Bildung einer Allianz gesteckt, damit diese Selbstbedienung endlich gestoppt wird. Sogar der Pensionskassenverband hält eine Reform für nötig. Und auch der Bundesrat gibt zu, dass die jetzige Regelung «nicht im Interesse der Versicherten» sei. Laut dem Vorschlag des PK-Netzes sollen nicht mehr die Pensionskassen, sondern die Chefs die Kosten von Vermittlern tragen, und zwar nach Aufwand. Sie sind ja auch deren Auftraggeber. So würden Fehlanreize eliminiert und die Renten geschont. Das Brokergeschäft an sich soll aber weiterhin möglich sein.
Die Auswüchse im PK-Business sind offenkundig. So sind die Brokerkosten Jahr für Jahr gewachsen. Allein von 2018 auf 2019 verzeichnete der Verband der Sammeleinrichtungen, bei denen fast 1,6 Millionen Arbeitnehmende versichert sind, einen Anstieg von 78 auf 108 Millionen Franken. «Es herrscht ein riesiges Geschacher», so Eliane Albisser. Kassen, die unbedingt wachsen wollen, saugen anderen mit Hilfe von Brokern die Versicherten ab.
MILLIONEN FÜRS NICHTSTUN
Versichertenbestände wechseln teils innert kürzester Zeit die Kasse. Von solchen Fluktuationen profitieren vor allem die Vermittler, sie verdienen mit jedem Deal. Und manchmal sogar mit Nichtstun: dann nämlich, wenn sie dafür bezahlt werden, zu sorgen, dass keine Versicherten abgeworben werden. Wer in diesem Spiel nicht mitspielt, ist bald draussen. Faire Vorsorgeeinrichtungen, die im Interesse ihrer Versicherten tiefe oder gar keine Provisionen bezahlen, werden geschnitten. Sie erhalten kaum mehr Offerten für neue Versicherte.
LOBBY SIEGT
Im Ständerat hat sich die Finanzlobby durchgesetzt. Sie will im Poker um die Vorsorgemilliarden möglichst wenig Vorschriften. Die Reform steht nun auf der Kippe. Eliane Albissers Hoffnungen ruhen auf dem Nationalrat. Dieser muss als Zweitrat über das Geschäft befinden. Albisser sagt: «Das Parlament muss die Interessen der Versicherten besser schützen. Diese bezahlen ohnehin schon immer höhere Beiträge und bekommen dafür immer weniger Rente. Dieser Zustand ist untragbar.»
BVG-Milliarden: So läuft das Broker-Business
Immer weniger Chefs von kleinen und mitteren Firmen führen für ihre Mitarbeitenden eine eigene Pensionskasse. Sie suchen lieber Anschluss an eine bestehende Kasse oder an eine Sammeleinrichtung, vielfach von Banken und Versicherungen. Dafür bieten Broker ihre Dienste an.
MILLIARDENGESCHÄFT. Nur: Weil diese Vermittler von den Pensionskassen Provisionen erhalten, empfehlen sie tendenziell jene Kassen, die ihnen am meisten bezahlen. Und nicht jene, die am vorteilhaftesten für die Versicherten sind. Die Provisionen berappen letztlich die Versicherten über die Verwaltungskosten. So steigt der Aufwand, während die Renten ständig sinken. Die berufliche Vorsorge ist zu einem Milliardengeschäft geworden, bei dem Grossbanken und Versicherungskonzerne mitmischen. Sie wollen möglichst viel Profit aus dem angesparten Alterskapital der Arbeitnehmenden schlagen.