Neue Analyse zur Arbeitgeberszene: Blochers Plan ging nicht auf

Erstmals nimmt eine Studie­ die Verbände der ­Arbeitgeber unter die Lupe. Und kommt zum Schluss: Den Chefs lief es in den letzten ­Jahren nicht nach Wunsch. Auch dank den erstarkten ­Gewerkschaften.

EIN BÜCKLING VOR DEM GELD: SVP-Übervater Christoph Blocher (rechts), im Gespräch mit Ex-UBS-Chef Marcel Ospel. (Foto: Blick / Dick Vredenbregt)

work-Kolumnist Andreas Rieger legt auf gut vierzig Seiten eine profunde Analyse vor: Darin zeigt er auf, wie stark sich die Arbeitgeberszene in der Vergangenheit gewandelt hat. Auch heute noch dominieren die patronalen Lobbies die Politik. Wer meint, der ­Einfluss der Wirtschaftsverbände sei verschwunden, geht fehl. Rieger weiss, wovon er schreibt: als ehemaliger Co-Präsident der Unia focht er selbst während Jahren viele Kämpfe mit den Arbeitgebern aus.

«Die SVPisierung der Wirtschaftsverbände ist gescheitert.»

BRÜCHE & VERWERFUNGEN

Die Coronakrise ist für Rieger der jüngste Beweis dafür, dass der Staat und die Verbände massgeblich den Gang der Dinge steuern: «Gerade in der Coronakrise haben wir gesehen, dass Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften eine wesentliche Rolle bei der Gestaltung der Notfallmassnahmen gespielt haben.» Rieger interessieren aber auch die Brüche und Verwerfungen unter den Chefs.

Bis in die 1970er Jahre diktierten die allmächtigen Maschinenindustriellen dem Bundesrat, was er zu tun habe. Diese Zeiten sind vorbei. Den «Vorort» gibt es nicht mehr. So wurde einst die Zentrale des Schweizerischen Indus­trie- und Handelsvereins genannt. Sie war das «Zentralkomitee des Kapitals» – sein Direktor war so etwas wie der achte Bundesrat. Die Nachfolgerin Economiesuisse kann von einer solchen Machtfülle nur träumen.

In den 1990er Jahren übernahmen dann die Banken die Führung im Cheflager. UBS-Chef Marcel Ospel schwang sich zum starken Mann auf. Er pushte SVP-Führer Christoph Blocher und dessen FDP-Seitenwagen Hans-Rudolf Merz in den Bundesrat. Doch nach der Bankenkrise von 2008 war der Ruf der Geldmanager schwer angekratzt. Unverändert blieb jedoch ihre Arroganz. Die Quittung dafür gab es zum Beispiel im Jahr 2013: Trotz einer millionenschweren Kampagne nahm das Volk die Abzocker­initiative an.

AUFGELAUFEN

Laut Rieger lief auch SVP-Chef Blocher letztlich auf. Er wollte die Wirtschaftsverbände auf einen strikt antigewerkschaftlichen Rechtskurs trimmen. So glaubte Arbeitgeberchef Valentin Vogt nach dem Wahlsieg der Rechten im Jahr 2015 und bei der Abstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative, man könne die Gewerkschaften links liegen lassen. Er irrte. Inzwischen ist Vogt gescheiter geworden und zeigt sich wieder etwas kompromissbereiter. Deshalb gelangen soziale Projekte wie die Überbrückungsrente für ausgesteuerte Ältere, das erste neue Sozialwerk seit Jahrzehnten. Ein weiteres Beispiel ist der Kompromiss von Arbeitgebern und Gewerkschaften bei der Reform der zweiten Säule (siehe Seite 4). Riegers Bilanz: «Die SVPisierung der Wirtschaftsverbände ist gescheitert.» Zu verdanken ist dies auch der entschlossenen Gegenwehr des Gewerkschaftsbunds. Und der Kampfkraft der Unia.
Falsch ist laut Rieger die Idee, im Neoliberalismus wolle die Wirtschaft keine Regulierungen mehr. Die pragmatisch denkenden Wirtschaftsverbände hätten eingesehen, dass Regulierungen im organisierten Kapitalismus nötig seien. Denn sie profitieren ja auch selbst davon. Zum Beispiel mit der Durchführung der Sozialversicherungen (AHV-Ausgleichskassen usw.). Ebenso spielen sie – zusammen mit den Gewerkschaften – eine führende Rolle in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Und sie überwachen mit den paritätischen Kommissionen den Arbeitsmarkt.

Riegers Panorama der Arbeitgeberwelt ist schlüssig und erhellend. Es bringt Licht in die politische Dynamik der letzten Jahrzehnte. Wer verstehen will, wie Helvetia funktioniert, wird viel davon profitieren.

Andreas Rieger: Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände in der Schweiz, Unia-Working-Paper, Bestellung bei Unia Kommunikation, Weltpoststrasse 20, 3000 Bern. Download hier möglich.

Verbände: Neue Branchen

Arbeitgeberverband und Economiesuisse stehen jeden Tag in der Zeitung. Doch immer stärker etablieren sich neben den Dachverbänden auch jene aus den Branchen. Wie etwa Allpura (Reinigung), Curaviva (Pflege) oder die neu positionierte Swiss ­Retail (Detailhandel). Ihr Aufstieg spiegelt den Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft. Andreas Rieger porträtiert in seiner Studie diese ­wenig bekannten Newcomer der Wirtschaftslobby. Sie stehen nicht im Rampenlicht, haben aber doch viel Einfluss und sind wichtig im Kampf um neue Gesamtarbeitsverträge.

1 Kommentare

  1. Eduard J. Belser 2. April 2023 um 12:59 Uhr

    Der grosse, geliebte Führer und Vorbeter der S(chlitzohrigen)V(olchsverarscher)P(artei), Christoph Blocher, war auch ein intimer Duzfreund und enger Spezi des kriminellen Pleite-Pech-und-Pannen-Kasino-Bänksters Marcel Ospel. Und jetzt nach dem CS-Dekakel schwurbelt sich diese grundverlogene Milliardärs-Lobbyisten-Partei SVP zur Beschützerin der KleinsparerInnen hoch. Das ist an Verlogenheit und Unappetitlichkeit kaum noch zu überbieten. Ich kann nicht soviel essen, wie ich darob kotzen möchte!

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