David Gallusser ist Ökonom beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB).
Statistiken in der Schweiz können sehr genau sein. So erfahren wir, wie viele Kühe es gibt oder wie viele Neugeborene Emma genannt werden. Geht es ums Eingemachte, ist die öffentliche Statistik aber oft unvollständig. Das ist bei der Verteilung von Vermögen und Vermögenseinkommen besonders der Fall. Die Reichsten und ihre Vertreterinnen in der Politik verhindern erfolgreich, dass genaue Erhebungen erstellt werden. Zu viele Informationen könnten die Legitimität der grossen Vermögen in Frage stellen und Forderungen nach höheren Steuern Auftrieb verleihen.
(Quelle: Brunner, Meier & Näf (2021): «Heterogeneity in Returns to Wealth. Evidence from Swiss Administrative Data», S. 29.)
GROSSE UNGLEICHHEIT. Zum Glück bringt die Forschung immer wieder Licht ins Dunkle. So wissen wir, dass die Vermögen in der Schweiz stark konzentriert sind. Das reichste Prozent aller Steuerpflichtigen – rund 50’000 Steuerpflichtige – besitzt über 40 Prozent aller steuerbaren Vermögen. Das sind 15 Millionen Franken pro Steuerpflichtigen. Zum Vergleich: Mehr als die Hälfte der Steuerpflichtigen besitzen weniger als 50’000 Franken steuerbares Vermögen. Leider blenden diese Zahlen vieles aus.
Die Pensionskassen werden nicht berücksichtigt, Immobilien sind zu tief bewertet, und Steuerhinterziehung ist verbreiteter, als viele wahrhaben möchten. Korrigiert man für die fehlenden Werte, steigen nicht nur die grossen, sondern auch die kleinen Vermögen. Die Ungleichheit bleibt trotzdem gross.
GROSSE VERMÖGEN. Zur Verteilung von Kapitalgewinnen ist in der Schweiz kaum etwas bekannt. Zum Beispiel: Wir wissen nicht, welches Einkommen die Anlegerinnen erzielen, wenn sie ihre Aktien mit Gewinn verkaufen. Aus anderen Ländern ist bekannt, dass diese Gewinne bei den Reichsten am höchsten ausfallen. Für den Kanton Bern konnten Ökonomen immerhin zeigen, dass Zinsen und Dividenden mit den Vermögen steigen (siehe Grafik). Der Grund für die ungleichen Erträge liegt in der Art des Vermögensbesitzes. Kleine Vermögen liegen oft auf Bankkonten, wo kaum Zinsen anfallen. Mittelgrosse Vermögen sind häufig in Eigenheimen investiert. Sie profitieren von steigenden Immobilienpreisen, erzielen aber wenig Finanzerträge. Grosse Vermögen bestehen zu einem bedeutenden Teil aus Beteiligungen. Das berechtigt die Reichsten zum Bezug der Unternehmensgewinne, und ihre Vermögen steigen parallel zu den Aktienkursen.