Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen ist nicht immer leicht. Erst recht nicht, wenn jemand aus der Familie erkrankt und Betreuung braucht. work erklärt Ihnen, worauf Sie als Berufstätige Anspruch haben.
GUTE BESSERUNG! Bei leichten Krankheiten oder Unfällen von Kindern haben Eltern Anrecht auf drei Tage Urlaub. (Foto: Getty)
Lilly war wohl etwas zu mutig: Beim Bäumeklettern hat sich die Vierjährige zwei Brüche zugezogen und muss operiert werden. Der elfjährige Lukas ist an Leukämie erkrankt und zu einem ersten stationären Aufenthalt im Spital angemeldet; der Krankheitsverlauf ist ungewiss. Martha, 85, wohnt noch in ihrer eigenen Wohnung, benötigt aber intensive Hilfe bei alltäglichen Verrichtungen, weshalb ihre drei Kinder sie abwechselnd betreuen. In welchen Fällen entstehen den Familienangehörigen welche Rechte auf Urlaub und Entschädigung?
KURZURLAUB ELTERN
Erkranken oder verunfallen Familienangehörige, hängt das Recht auf Urlaub für Angehörige von der Schwere des Ereignisses ab. Bei Krankheiten oder Unfällen mit geringen Komplikationen und absehbar günstigem Verlauf – wie etwa bei einer Grippe oder einem Beinbruch – haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Anrecht auf bezahlten Urlaub zur Betreuung des Familienmitglieds. Dieser Urlaub beträgt aber höchstens drei Tage pro Ereignis und höchstens zehn Tage pro Jahr.
- Die Firma darf ein Arztzeugnis verlangen.
- Das Recht auf Kurzurlaub zur Betreuung bezieht sich auf Kinder, Eltern (auch Schwiegereltern), Lebenspartnerin oder Lebenspartner.
- Handelt es sich um Kinder, gilt zwar auch die Höchstgrenze von drei Tagen pro Ereignis, pro Jahr sind aber mehr als zehn Tage Urlaub möglich. Die Lohnfortzahlungspflicht beträgt hingegen auch hier maximal zehn Tage.
- Arbeitnehmende sind verpflichtet, innerhalb der maximal drei Tage Urlaub eine Lösung zu organisieren, die es ihnen ermöglicht, wieder zu arbeiten. Können sie nachweisen, dass sie trotz ihren Bemühungen keine vertretbare Ersatzlösung gefunden haben, ist die Firma über die drei Tage hinaus zur Gewährung von bezahltem Urlaub verpflichtet, da es sich bei der Pflege Angehöriger um eine Familienpflicht handelt. Je nach Situation bietet sich in solchen Fällen der seit Juli 2021 mögliche Betreuungsurlaub als Alternative an (siehe nächsten Absatz).
BETREUUNGSURLAUB
Von schweren Krankheiten oder Unfällen eines Kindes sind jedes Jahr etwa 4500 Familien betroffen. Eine belastende Situation, denn zur Angst ums Kind kommt für arbeitende Eltern die Frage, wie sie ihrer Betreuungsaufgabe trotz Berufstätigkeit nachkommen. Seit Mitte Jahr steht ihnen nun immerhin der bezahlte Betreuungsurlaub offen. Ein Recht darauf haben arbeitende Eltern, deren minderjähriges Kind durch Krankheit oder Unfall schwer beeinträchtigt ist. Innerhalb einer Rahmenfrist von 18 Monaten haben sie Anspruch auf 14 Wochen (98 Tage) Betreuungsurlaub. Für diese Zeit erhalten sie Erwerbsersatz, der 80 Prozent des bisherigen Einkommens beträgt, maximal aber 196 Franken pro Tag.
- Sind beide Eltern berufstätig, haben sie zusammen Anspruch auf total 98 Tage. Wie sie diese Tage untereinander aufteilen, ist ihnen freigestellt.
- Auch Arbeitslose, die Taggelder der Arbeitslosenkasse beziehen, sind anspruchsberechtigt.
- Der Ferienanspruch darf nicht gekürzt werden.
- Ab dem ersten Bezugstag gilt ein Kündigungsschutz von maximal sechs Monaten Dauer. Werden sämtliche 98 Urlaubstage innert weniger als sechs Monaten bezogen, kann die Firma schon nach dem Tag des letzten Bezugs kündigen.
- Pro Krankheit oder Unfall entsteht nur ein Anspruch.
Ob nun die 98 Urlaubstage für die elterliche Pflege des an Leukämie erkrankten Lukas ausreichen? Und ob er innerhalb der Rahmenfrist vollständig gesund wird? Nach Angaben des Schweizer Kinderkrebsregisters liegt der elterliche Pflegeaufwand bei Krebserkrankung eines Kindes im Durchschnitt bei etwa 320 Arbeitstagen über die gesamte Krankheitsdauer. Ist aber der maximale Anspruch gemäss dem Erwerbsersatzgesetz erschöpft, bleibt betroffenen Eltern nur übrig, sich neu zu organisieren – etwa durch Reduktion der Arbeitspensen (und damit Lohnverzicht) oder durch Fremdbetreuung (siehe Text rechts).
BETREUUNGSGUTSCHRIFTEN
Der oben beschriebene Betreuungsurlaub gilt nur für Eltern minderjähriger Kinder, nicht aber für erwachsene Berufstätige, die hochbetagte Eltern betreuen. Marthas erwachsene Kinder müssen also die Betreuungsarbeit ausserhalb ihrer Berufsarbeit erbringen – einzig bei einer akuten Erkrankung von Martha, die zum Beispiel Begleitung ins Spital und Betreuung am Spitalbett erfordern, können sie einen bezahlten Kurzurlaub beziehen. Zudem haben sie, ob sie im Moment einer Erwerbsarbeit nachgehen oder nicht, Anrecht auf Betreuungsgutschriften der AHV, falls ihre Mutter Martha eine Hilflosenentschädigung bezieht. Diese Gutschriften sind Zuschläge zum rentenbildenden Erwerbseinkommen. Sie führen zu einer höheren Altersrente. Aber Achtung: Wer dieses Anrecht geltend machen will, muss sich selber bei seiner AHV-Zweigstelle melden (siehe auch Box)!
So geht’s zur Gutschrift
Sobald Sie pflegebedürftige Verwandte betreuen, die eine Hilflosenentschädigung der IV oder AHV beziehen, haben Sie Anspruch auf Betreuungsgutschriften, die Ihre Altersrente erhöhen. Die Bezugsregeln sind in einem Merkblatt der AHV zusammengefasst:
rebrand.ly/betreuungsgutschrift
Kranke Kinder Hilfe für Eltern
Für die medizinische Pflege von Kindern, die zu Hause leben, sind Fachpersonen der Kinder-Spitex zuständig. Nach ärztlicher Anordnung der Pflege kommen die Krankenkasse oder die IV für die Kosten auf. Damit ist aber die Tagesbetreuung noch nicht sichergestellt. Arbeiten beide Eltern und benötigt das kranke Kind Aufsicht und Betreuung, müssen die Eltern dafür eine externe Lösung finden. Zum Beispiel den Entlastungsdienst des Roten Kreuzes (redcross.ch). In Abwesenheit der Eltern kümmert sich eine geschulte Betreuungsperson um das Wohl der Kinder. Das Angebot gilt als Überbrückungshilfe und ist zeitlich beschränkt. Der Tarif ist einkommensabhängig, für eine ganztägige Betreuung von acht Stunden ist mit Kosten von mindestens rund 100 Franken zu rechnen.
TARIFE. Für eine längere Dauer (bei chronischen Erkrankungen oder Behinderung) wenden sich Eltern an den Entlastungsdienst Schweiz (entlastungsdienst.ch). Er ist in den Kantonen AG, BE, SG, SO und ZH tätig. Die Tarife richten sich nach dem Einkommen und Vermögen der Familie, bei knappem Budget können Beratungsstellen (Pro Infirmis, Sozialdienst Ihrer Gemeinde) mit Ihnen Finanzierungsmöglichkeiten prüfen. Das Angebot in anderen Kantonen erfragen Sie zum Beispiel bei der Sozialberatung des Spitals oder beim Sozialdienst Ihrer Wohngemeinde.