work ist einerseits eine Gewerkschaftszeitung, ein Tendenzblatt mit klaren Standpunkten und andererseits anregend und aufregend. Möglich macht das die Gewerkschaft Unia, gegen die derzeit ein Klassenkampf von oben tobt. Das Wort hat work-Kolumnist Peter Bodenmann.
BUNT, PRÄGNANT, ANGRIFFIG: «work ist eine Küche», schreibt Peter Bodenmann, «in der es oft heiss wird.» (Foto: work)
Eine Gewerkschaft ohne Streikkasse ist keine Gewerkschaft. Weil sie jeden Konflikt schon verloren hat, bevor ein Arbeitskampf beginnt. Wer etwas gewinnen will, braucht Haare auf den Zähnen und Geld im Rucksack.
In der Regel gilt, wenn die Gegenseite, wenn die Unternehmerseite weiss, wie viel Geld in der Streikkasse einer Gewerkschaft liegt, ist dies für die Lohnabhängigen ein Nachteil. Weil die Unternehmer nachrechnen können, wann einer Streikbewegung der Schnauf ausgehen wird.
Wegen der Kampagne von «Tages-Anzeiger» und «Blick» hat die Unia jetzt ihre internen Zahlen auf den Tisch gelegt. War das ein Fehler? Vermutlich nicht wirklich, weil die Unia – richtig berechnet – mehr als eine Milliarde Franken schwer ist. Sie kann folglich auch längere Arbeitskämpfe durchstehen. Besser wären allerdings zwei Milliarden. Dies nach dem Grundsatz: Spare in der Zeit, dann hast du im Streikfall.
SUPINO & WALDER. Die Kader der Unia verdienen im Jahr so viel wie die Herren Verleger Pietro Supino (Tages-Anzeiger) und Marc Walder (Blick) real pro Monat. Supino und Walder wollen für ihren Verlag Geld vom Bund. Und greifen gleichzeitig die Unia an, die das mit ihren Arbeitslosenkassen gut macht. Das ist Klassenkampf von oben.
Die Covid-Krise hat vorab die kleinen und mittleren Einkommen hart getroffen. Während die Reichen und Superreichen profitierten, mussten viele Haushalte, mussten viele Lohnabhängige und Pensionierte ihre Gürtel enger schnallen. Und Ausgabenposten streichen. Die nicht ganz überraschende Folge davon: vorerst rückläufige Mitgliederzahlen der Unia. Werden sich diese im beginnenden Aufschwung erholen? Es ist zu hoffen.
DAGUET & RIEGER. Sind zwanzig Jahre eine lange oder eine kurze Zeit? Seit 20 Jahren gibt es work. work ist einerseits eine Gewerkschaftszeitung, ein Tendenzblatt mit klaren Standpunkten und andererseits anregend und aufregend. Etwa so, wie sich dies die work-Gründungsväter André Daguet selig und Andreas Rieger einst vorgestellt hatten.
work ist eine Küche, in der es oft heiss wurde, heiss wird. Weil alle Köchinnen und Köche, weil alle Kellnerinnen und Kellner ihre eigenen Interessen und Vorstellungen hatten und haben. Spannungen waren und sind Bestandteil der Gratwanderung zwischen gewerkschaftlicher Vorsicht und journalistischer Neugier. Zwischen Machos und der Logik, mehr Rechten und mehr Macht für die Frauen.
HEARTFIELD & STAECK. Eigentlich ist in diesem Umfeld der Posten einer Chefredaktorin ein elender Verschleissjob. Marie-Josée Kuhn liess sich wenig anmerken. Wenn notwendig, hielt sie sich mit etwas Yoga im Gleichgewicht. Kopfstand gegen Unverstand. Die Berner Seeländerin zeichnete in den letzten 19 Jahren für 423 Nummern verantwortlich. Und ist, zusammen mit ihrer Redaktion, immer wieder für publizistische, politische und gewerkschaftliche Überraschungen gut. Die Titelseiten von work erinnern uns in guten Momenten an die beiden deutschen Polit-Fotomontagekünstler John Heartfield und Klaus Staeck.
Was Kuhn auszeichnet, ist ein seltener Mix von Neugier, Respektlosigkeit und Realismus. Was nach den work-Interviews mit Marx, Engels und Lenin fehlt, ist ein Interview mit ihr. Ein Rückblick hinter die Kulissen der real existierenden Arbeiterbewegung und deren erstaunlich offener und deshalb spannender Zeitung.
work feiert seine 20 Jahre in Wabern bei Bern. In einem einstigen Arbeiter- und Industriequartier. Und dies im Lokal «Heitere Fahne». Ort und Name sind irgendwie Programm: work war und blieb eine Fahne der im Wandel begriffenen Bewegung der Arbeiterinnen und Arbeiter. Eine Fahne mit Humor und Chuzpe. Tut uns allen irgendwie gut. Und sollte deshalb so bleiben.