Sie kann den Seniorinnen und Senioren, die sie pflegt, nicht genügend Lebensqualität bieten. Aus Zeitmangel. Darum hat sich Pflegehelferin Gerda Fiacco entschieden, für die Pflege-Initiative zu weibeln.
GERDA FIACCO: «Bessere Arbeitsbedingungen bringen eine bessere Pflege.» (Foto: Jasmin Frei)
Jeden Abend geht Gerda Fiacco mit einem schlechten Gewissen nach Hause. Die Pflegehelferin betreut betagte Menschen in Pflegewohnungen der Stiftung Sawia in der Stadt Zürich. In der Theorie, sagt Fiacco, wären Stunden vorgesehen fürs gemeinsame Spielen, Kochen, Turnen mit den meist Demenzkranken, für leichte Arbeiten im Garten oder fürs Gestalten der Wohnung. Aber in der Praxis fehle ihr fast immer die Zeit: «Weil wir über die Jahre immer weniger Pflegende wurden.»
Jetzt reiche die Zeit gerade für die Körperpflege und fürs Kochen, sagt die 63jährige: «Aber eine gute Pflege wäre mehr als das.» Auf Dauer sei das frustrierend, und es lasse auch die zu Betreuenden emotional verkümmern. «Oft sagt jemand: Für was bin ich denn noch da? Das tut weh.»
«Wir sind immer weniger Pflegende.»
TAUSENDE STELLEN UNBESETZT
Aktuelle Zahlen zeigen, welches Ausmass der Pflegenotstand mittlerweile angenommen hat: Fast 6000 Stellen sind unbesetzt. Und laut dem Bundesamt für Statistik braucht es schon in acht Jahren fast 40’000 zusätzliche Pflegende, weil wir immer älter werden. Und noch einmal so viele, um die Pensionierten und die vorzeitigen Abgänge zu ersetzen. Von denen, die in der Pflege arbeiten, fühlt sich fast die Hälfte ausgebrannt.
Um Politik und Arbeitgeber endlich zum Handeln zu bewegen, gehen die Pflegenden am 30. Oktober in Bern erneut auf die Strasse (Infos unter unia.ch/pflegedemo). Auch, um für die Pflege-Initiative zu werben, über die wir am 28. November abstimmen. Sie fordert bessere Arbeitsbedingungen und mehr Aus- und Weiterbildung für die Pflege sowie eine bessere Finanzierung der Pflegeleistungen durch die Krankenkassen. Pflegerin Fiacco weibelt schon seit Ende August für die Initiative. Denn sie ist eine von rund hundert Pflegebotschafterinnen der Unia. Alle haben das gleiche Ziel: Ein Ja am 28. November.
Bei ihr im Heim seien sehr viel Junge tätig, sagt sie: «Die haben ihren Fokus nicht so auf der Politik. Das motiviert mich umso mehr, mit ihnen darüber zu sprechen.»
Klar, dass da auch Fragen kommen. «Etwa, was denn der Unterschied sei zwischen der Initiative und dem Gegenvorschlag.» Worauf sie erklären kann, dass letzterer zwar eine Ausbildungsoffensive vorsehe, aber an den Arbeitsbedingungen nichts verbessern will. Und damit das Problem nicht löst, dass viele Junge bald nach der Ausbildung dem Beruf den Rücken kehen.
SELBER BETROFFEN
Auch Angehörigen von Bewohnerinnen und Bewohnern gibt sie einen Flyer und fragt, ob sie das Thema interessiere. Worauf sie oft die Rückfrage hört, ob sie denn von der Initiative betroffen sei. Ja, sagt sie dann: «Bessere Arbeitsbedingungen heisst weniger Personalwechsel, und schon das bringt eine bessere Pflege.»
Allerdings: Ob sie überhaupt nach Bern an die Demo kann, weiss sie noch nicht. Zwar hat sie schon früh für den 30. Oktober frei eingegeben, aber durch einen Fehler in der Personalplanung ist sie jetzt zur Arbeit eingeteilt. Seither sucht sie jemanden, der mit ihr abtauscht. Bisher ohne Glück. «Aber ich gebe nicht auf.»
Super dass du dich in dieser Angelegenheit engagierst ! Liebe Grüsse Christa Dombrowski