Public Eye lanciert Handbuch über «Korruption made in Switzerland»
Willkommen im Paradies für Wirtschaftskriminelle!

Für zwielichtige Finanzjongleure, skrupellose Erdölhändler oder steinreiche Potentaten ist die Schweiz noch immer ein Eldorado. Wie genau, zeigt der satirisch-ernste ­Leitfaden von ­Public Eye.

(Illustrationen: Public Eye)

Sauberer Finanzplatz? Harter Kampf gegen Geldwäscherei? Scharfe Gesetze gegen Korruption? Denkste! «Die Schweiz bleibt eines der weltweit beliebtesten Ziele für Wirtschaftskriminelle»: So das vernichtende, doch zutreffende Urteil von Public Eye. Die Non-Profit-Organisation (ehemals Erklärung von Bern) recherchiert hartnäckig und deckt regelmässig dunkle Machenschaften auf.

STETS ZU DIENSTEN

Jetzt gibt’s von Public Eye ein neues Handbuch für Wirtschaftskriminelle. Der Tenor: «Kommen Sie in die Schweiz, hier ist das Paradies für Sie!» Satirisch verfasst, geht es um sehr ernsthafte Dinge. Public Eye rechnet vor, dass den Staatshaushalten des Südens die schwindelerregende Summe von 3600 Milliarden Dollar durch Korruption, Geldwäscherei und Steuerhinterziehung entgeht. Ein gigantischer Raubzug, an dem die Schweiz eine grosse Mitverantwortung trägt. Wirtschaftskriminelle aus aller Welt tummeln sich gerne auf Schweizer Boden. Hier finden sie genau das, was sie brauchen: löchrige Gesetze, passive Behörden, dienstfertige Anwaltskanzleien und Finanzprofis, die nicht zu viele Fragen stellen. Sollte es trotzdem zu einer Anzeige kommen, drohen bloss Mini-Bussen. Public Eye nennt dies «Korruption made in Switzerland». In den Datenlecks der Panama- und Pandora-Papers kommt sie in voller Blüte zum Vorschein.

Diese Skandale beweisen, dass ein Grossteil der internationalen Korruptionsfälle über die Schweiz abgewickelt werden. Daran beteiligt sind Banken, die ihren Sorgfaltspflichten nicht nachkommen, sowie Anwältinnen und Treuhänder, die mit ihrem Know-how für anonyme Briefkastenfirmen, Trusts und intransparente Firmenkonstrukte zu Diensten stehen.

Im Leitfaden listet Public Eye detailliert die Vorzüge der Schweiz für derlei Machenschaften auf. Zum Beispiel gibt es immer noch kein Verzeichnis der wirtschaftlich Berechtigten hinter Briefkastenfirmen. So bleiben die wahren Eigentümer unerkannt. Banker sind nur bei begründetem Verdacht verpflichtet, eine Meldung wegen Geldwäscherei zu machen. Aber was ist schon ein Verdacht? Anzeigen versanden, weil die Meldestelle für Geldwäscherei des Bundes mit 40 Angestellten chronisch unterdotiert ist. 6000 Fälle waren 2020 noch nicht bearbeitet.

Ein Grossteil der inter­nationalen Korruptionsfälle werden über die Schweiz abgewickelt.

GLOBALER SPITZENPLATZ

Insbesondere Rohstoffhändler brauchen keinen Ärger zu fürchten. Sie müssen keinerlei Sorgfaltspflichten beachten. Es gibt für sie nicht mal eine zahnlose Aufsichtsbehörde wie die Finma für die Banken. «Ist das ­Leben nicht herrlich?» heisst es ­satirisch im Public-Eye-Leitfaden. Korrupten Ministern, die ihre Schmiergelder anlegen wollen, rät das Handbuch zu einem Investment in eine Schweizer Villa am See. Am besten durch eine Offshore-Firma aus einem Steuerparadies. Denn die hiesige Immobilienbranche ist vom Geldwäschereigesetz ausgenommen. «Schwupps, und schon sind Ihre Gelder weissgewaschen!»

Entgegen den offiziellen Beteuerungen zeigt sich immer wieder, dass die Schweiz alles tut, um ihren globalen Spitzenplatz als Top-Dienstleisterin für Geldschiebereien zu sichern. So letzten Frühling, als die Anwaltslobby im Parlament in aller Stille die Unterstellung ihres Berufs unter das Geldwäschereigesetz verhinderte. Begründung: Dadurch werde das Berufsgeheimnis «ernsthaft beeinträchtigt». Und ihr Millionengeschäft wohl ebenfalls.

Ueli Maurer ­be­stechen: «Kä Luscht» im Kampf gegen ­Korruption

Finanzminister Ueli Maurer (SVP) tut nichts gegen Korruption und Geldwäscherei «made in Switzerland». Er hat «kä Luscht». Das ärgert Public Eye, weshalb die Entwicklungs­organisation eine originelle Kam­pagne gestartet hat: Bestechen wir Ueli Maurer! Aber nur symbolisch und mit Falschgeld. Für alle, die sich über die Website von Public Eye an der Kampagne beteiligen, kommt eine Tausendernote in einen Koffer, der dann ins Bundeshaus geschickt wird. Stand bis jetzt: rund 16 Millionen Franken. Sind 20 Millionen erreicht, geht der Koffer ab. www.publiceye.ch


Geldwäscherei:Diese Fachleute helfen, in der Schweiz Geld zu waschen

Sie wollen Geld waschen? Steuern vermeiden? Und scheuen das Tageslicht? Dann brauchen Sie un­bedingt die Hilfe von ­Anwälten, Treu­händerinnen, Immobilien­maklerinnen, Wirtschaftsprüfern usw. Was diese Helfers­helferinnen genau tun, hat Public Eye ebenfalls aufgearbeitet. work ­dokumentiert eine kleine Auswahl.

DER ANWALT

Er kennt alle Tricks und Schliche, um Sie vor Unbill zu bewahren. Und auch vor dem Richter. Sollten Sie doch mal im Gericht landen, keine Bange. Mit einem Ausstandsbegehren gegen den Ankläger oder mit einer Blockade von Rechtshilfegesuchen lässt sich viel Zeit schinden. Am besten bis zur Verjährung. Besonders gefragt sind jene Anwältinnen und Anwälte, die Ihnen auch gleich ein massgeschneidertes Offshore-Konstrukt liefern. Damit tricksen Sie jede Finanzbehörde aus.

DIE TREUHÄNDERIN

Steuern sollen Dumme zahlen, aber nicht Sie. Die Treuhänderin weiss, wie. Sie kennt sich aus im Steuervermeidungs-Business. Schliesslich lebt sie ja ­davon. Und das ganz diskret. Auf Wunsch baut sie Ihnen die richtigen Schachtelfirmen, damit Sie unbehelligt bleiben. Keine Unternehmenssteuern, keine Mehrwertsteuer, keine Buchführungspflicht – die Treuhänderin weiss immer Rat. Gerne erwartet sie Ihren Besuch in ihrem Büro. Dort, wo Dutzende Firmen mit exakt derselben Telefonnummer ihren Sitz haben.

DER WIRTSCHAFTSPRÜFER

Unauffällig wie er ist, überprüft er Ihre Bücher. Und drückt dabei auch mal ein Auge zu. Hauptsache, alles ist formell korrekt. Der Inhalt ist egal. Zwar sind seine Honorare auch nicht gerade klein. Vor allem nicht als Angestellter einer der vier Grossen unter den Prüfgesellschaften. Doch der renommierte Name hat auch Vorteile. «Muss ja stimmen», heisst es dann jeweils. Und niemand schaut genauer hin. Schon hat sich die Investition gelohnt.

DIE IMMOBILIENMAKLERIN

Warum bei tiefen Zinsen nicht in Betongold investieren? Eine Villa am richtigen Ort verliert keinen Wert. Im Gegensatz zu Aktien. Die Immobilienmaklerin hat das richtige Angebot im gehobenen Segment. Sie ist charmant und besitzt vielfältige Kontakte. Hat sie doch schon für russische, usbekische, indische und chinesische Familien gearbeitet. Ganz schön weltläufig, nicht wahr? Marmor, Tennisplatz und Seean­stoss sind ihr eine Selbstverständlichkeit. Woher Sie Ihr Geld haben? Das kümmert sie nicht. Hauptsache, es ist da.

Die ganze Galerie der ­Geldwäschereiberufe ­finden Sie unter: swisscorruption.ch

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