Stur wie eine Eselin
Die Wahrheit ist ja bekanntlich ein stark umworbenes, kostbares Gut. Und sieht je nach Blickwinkel sehr unterschiedlich aus.
Jetzt kämpfen wir also schon gegen die fünfte Coronawelle. Die Infektionen steigen ungemütlich an. Seit dem 15. November gilt in Österreich ein Lockdown für Ungeimpfte. Doch die Schweiz bleibt lari-fahrig (Stand 17. November).
Und da steh ich also an einer Haltestelle, als ein Mann kommt mit einem Zylinder. Ich denke noch: Ob das ein Aluhut ist? So ein Verschwörungstheoretiker? Und lese auf seinem Hut: «Kein Sex mit Geimpften», Ausrufezeichen! O. K., schiesst es mir durch den Kopf, Eigen- und Fremdwahrnehmung gehen bei allen auseinander. ABER: Ob geimpft oder ungeimpft, wer möchte schon Sex mit so einem Schrat? Sein sechster Sinn muss es ihm geflüstert haben, oder er sah den Spott in meinen Augen, jedenfalls bleibt er schockartig stehen. Breitbeinig brüllt er los: «You fucking …, fucking mask, fuckingfuckingfucking, youuuuu!» Oh, an Englishman in Bern, enchanté! Und mir entfährt, was Ladies in solchen Situationen immer entfährt, ich sage: «Fuck yourself!» Da erzittert der Zylinder, und da schiesst es jetzt krachend aus vollen Rohren, das englisch. Nur dann und wann unterbrochen vom Singsang seiner Begleiterin: «Maskenhöseler», heult sie schweizerdeutsch los, «Maskenhöseler! Maskenhöseler! Maskenhöseler!» Und tanzt um mich herum.
Sonst: guet Nacht!
MASKENHÖSELER? Wie jetzt? Corona ist also so was wie eine Mutprobe? Der man, wenn mann «Eier hat», erhobenen Hauptes und maskenlos entgegentritt? Todesmut, Ehrensache? Ein russisches Viren-Roulette? Und ich bin eine Memme? Eine Städterin halt, degeneriert halt – und schon vor Generationen tief von der Hellebarde gefallen?
A propos Hellebarde: Denselben Rütli-Bodensatz atmen ja auch die Freiheitstrychler. Sie fürchten Gesundheitsminister Alain Berset mehr als ihren Tod. Wobei, es ist ja schon ein wenig schräg, wenn sich so Freiheitskämpfer selber unterjochen. «Aufjochen!» heisst ihr Schlachtruf, die Bimmeln zu montieren.
Aber O. K.: Volksbräuche haben oft wenig mit der Logik der Aufklärung am Hut. Das wissen wir von den Wetterschmöckern. Die sitzen mit bluttem Füdli im Ameisenhaufen und sagen uns dann: «Im Sommer wird’s Katzen hageln.» Nur, die Trychler machen noch seltsamere Sachen: Sie vergraben Container unter der Erde mit Tonnen von Lebensmitteln und Diesel. Für wenn der grosse Kollaps kommt, das Bundeshaus zusammenbricht. Diese «Prepper»! Diese Katastrophen-Phobiker. Und nicht nur das: Die Freiheitstrychler fackeln auch hölzerne Covid-Spritzen ab, nachts auf lodernden Scheiterhaufen, und murmeln Beschwörungsverse im Takt: «Eher tot als in Knechtschaft leben …» Ku-Klux-Klan-Zeugs, halt. Oder besser: Kuh-Klux-Klan.
KUH-KLUX-KLAN? O K., Wahnsinnige gibt es immer und überall. Und Corona hat vielen von ihnen neues Leben eingehaucht. ABER: Die Trychler gibt es schon lange. Sie haben bereits 1992 gegen den EWR getrychlet. Für den grossen Führer Blocher. Man ist mit der SVP, allen voran Obertrychler Benz («Der Kampf entscheidet sich im Kopf!»). Und die SVP mit ihnen, allen voran der Zürcher Schellenursli Köppel («Die Trychler sind die letzte Verteidigungslinie der Schweiz!»). Und O. K., das ist politisch nicht wirklich erstaunlich. Aber – und jetzt kommt’s: Wir Maskenhöseler und Maskenhöselerinnen dürfen diese Hellebardenschwinger am 28. November an der Urne nicht durchmarschieren lassen. Sonst: guet Nacht! Zu viel steht beim Covid-Gesetz auf dem Spiel. Auch viel Corona-Finanzhilfe für Arbeitnehmende, Beizen, Clubs, Kultur und Kitas. Lassen Sie sie also nicht durchtrycheln, liebe Leserinnen und Leser: stimmen Sie Ja!
Guten Abend Frau Kuhn
Es ist mehr als beschämend ihr polarisierendes, unter der Gürtellinie und menschenverachtendes Editorial zu lesen.
In einer Zeit wo es wichtig wäre aufeinander zuzugehen, hauen sie in dieselbe Kerbe, wie die Leute, die sie als Aluhut bezeichnen.
Sind sie sich bewusst, dass viele Unia Mitglieder möglicherweise Aluhüte, Verschwörungstheoretiker oder sogar Trychler sind ?
Die Meinungen zur Corona-Lage mögen auseinander gehen. Aber die Trychler mit dem Ku-Klux-Clan zu vergleichen ist schon starker Tobak. Sie lynchen keine Menschen und hängen sie an Bäume, um sie zur Schau zu stellen.
Auch ich bekam Gänsehaut, als ich diesen Erguss aus Hass von einer privilegierten (und abgesicherten) Schweizerbürgerin las mit diesem Vergleich Trychler – Ku-Klux-Clan. Viele etablierte Linke haben keine Ahnung mehr von der Geschichte und sind nur noch beseelt von ihrem Kulturrelativismus und „Gutmenschentum“… .
Super. Aber wenn Sie Köppel als Schellenursli bezeichnen, beleidigen Sie Ursli.
Wieso dieser Schaum vorm Mund? Wieso dieser Hass?