Die neue deutsche Regierung legt mit ihrem Koalitionsvertrag im Umweltschutz mehr als einen Zacken zu. Hier die wichtigsten Punkte. Und die Schweiz? Sie will mehrere Hundert Milliarden Franken unnütz für einen Schneckentempo-Umbau hinlegen.
KOALITIONSVERHÄNDLER: Klimaaktivisten parodieren Annalena Baerbock (Grüne), Christian Lindner (FDP) und Olaf Scholz (SPD). (Foto: DPA)
Ohne Herkunft keine Zukunft. Wir kennen mit Vorteil unsere Geschichte, um sie fortschreiben zu können. Die Schweiz war lange Zeit in Sachen Umweltschutz Europameisterin. Das hat sich zünftig geändert: Nach 29 Jahren Alleingang fahren wir ökologisch im Besenwagen hinter der EU her. Und jetzt legt Deutschland mit dem neuen Koalitionsvertrag im Umweltbereich mehr als einen Zacken zu (siehe «Riegers Europa» Seite 8). Papier ist immer geduldig, aber wenn SPD und Grüne nicht liefern, wird die Strasse sie zwingen, ihre Versprechen zu halten. Ist auch nicht so schwer, da der technische Fortschritt in Sachen Wind- und Solarenergie kostenseitig die kühnsten Träume übertroffen hat. Gehen wir die Fakten durch:
BAUSTEIN 1: Atomausstieg bleibt. Deutschland steigt 2022 definitiv aus der Atomenergie aus. In der Schweiz will Simonetta Sommaruga die Atomkraftwerke einfach weiterlaufen lassen. Die SVP setzt auf Atomstrom, was für die Gegnerinnen und Gegner letztlich eine politische Chance darstellt. Weil Atomstrom viel zu gefährlich und viel zu teuer ist.
BAUSTEIN 2: Raus aus der Kohle. Bisher behaupteten die Gegnerinnen und Gegner des ökologischen Umbaus in der Schweiz, wir würden einfach dreckigen Kohlestrom importieren. Geht aus zwei Gründen nicht. Erstens wird das Kohleland Deutschland schon bis 2030 aus der Kohle aussteigen. Und zweitens sind wir ohne Rahmenabkommen, ohne Stromabkommen auf uns selbst gestellt. Gut so!
BAUSTEIN 3: Zunahme des Stromverbrauchs. Ökologischer Umbau bedeutet mehr Elektroautos, mehr Wärmepumpen und mehr grünen Stahl. Der Stromverbrauch wird in einem Land mit viel Auto- und Schwerindustrie ansteigen. Bis 2030 will Deutschland trotzdem 80 Prozent seines Stroms mit erneuerbaren Energien, vorab mit neuen erneuerbaren Energien, produzieren. Die Schweiz, die dank Wasserkraft über viel bessere Voraussetzungen verfügt, könnte im gleichen Zeitraum sich selber locker auch im Winter zu 100 Prozent mit Strom aus neuen, erneuerbaren Energien versorgen.
BAUSTEIN 4: 2 Prozent der Landfläche für Windenergie. Im Gegensatz zur Schweiz kann Deutschland keine hochalpinen Solarfelder bauen. Es muss deshalb schwergewichtig auf die Windkraft setzen. An Land und auf der See. Alle Bundesländer müssen 2 Prozent ihrer Fläche für Windräder freischaufeln. Parallel dazu werden die Bewilligungsverfahren radikal beschleunigt. Auch die Leistung aller Solaranlagen soll bis in das Jahr 2030 auf 200 Gigawatt erhöht werden.
BAUSTEIN 5: Finanziell kein Problem. Niemand käme es im Traum in den Sinn, für den blitzschnellen ökologischen Umbau 2 Billionen Euro aufzuwenden. Diesen Betrag umgerechnet wollen die Schweizer Grünen und die SP für den Schneckentempo-Umbau hierzulande aufwenden. Wir sind das Land mit den langen Zündschnüren.
BAUSTEIN 6: Axpo hat recht. Für den Energiekonzern Axpo steuern wir in der Schweiz auf eine Stromlücke von 25 Milliarden Kilowattstunden Winterstrom zu. Zusätzlich haben wir das Risiko von Blackouts. Und die Tatsache, dass wir ab 2025 ohne Stromabkommen für uns selber sorgen müssen. Wer ernst genommen werden will, muss auf diesen drei Feldern Lösungen vorschlagen.
BAUSTEIN 7: Ohne Freiflächen geht es nicht. In der Schweiz würden weniger als
1 Prozent der Freiflächen in den fünf Alpenregionen Wallis, Berner Oberland, Uri, Tessin und Graubünden reichen, um die für die Schweiz notwendigen 25 Milliarden Winterstrom zu produzieren. Dazu nächstens mehr in dieser Zeitung.
Schneller als wir denken, könnte alles gut kommen. Uns steht eine Rosa Zukunft bevor. Niemand muss wegen des ökologischen Umbaus mehrere Hundert Milliarden unnütz verbrennen. Aber der muss ökologisch richtig kalibriert sein.
Link zum Thema:
- rebrand.ly/power-switcher
Mit dem Axpo–Powerswitcher können Sie sich selber einen Überblick über die Entwicklung der Stromversorgung in der Schweiz ver-schaffen. Sie entscheiden, ob und inwieweit Sonne, Wind oder andere Stromquellen in Zukunft genutzt werden. Wie dies der SP-Energieexperte Roger -Nordmann machen würde, sehen Sie in seinem Szenario für das Jahr 2050. Und für dieses sollen die SP und die Grünen Unterschriften sammeln? Es ist zum Fremdschämen!