Im Gegensatz zu Deutschland und Österreich lassen wir die Dinge einfach laufen. Auch die Skirennen in Adelboden und Wengen. Maskenlos grölen da Tausende Fans um die Wette. Nur ein österreichisches Ski-As findet dafür noch die Worte.
SKIFAHRER MANUEL FELLER: Der beste Corona-Analytiker ist dieser Wuschelkopf aus Österreich. (Foto: Imago)
Der Skisport ist eine Randsportart. Die führenden US-Fernsehstationen übertragen nicht einmal jene Weltcuprennen, die in den USA stattfinden. Die 30 besten Skirennfahrerinnen und -fahrer dieser Welt verdienen durchschnittlich weniger als die weltweit besten 5000 Fussballer. Sport ist Business, und dieses Geschäft lebt von den Einschaltquoten.
Das Chuenisbärgli in Adelboden wird früher oder später dem Klimawandel zum Opfer fallen. Bis es so weit ist, werden hier aber noch einmalige Geschichten geschrieben. Zum Beispiel die: Johannes Strolz ist 29 Jahre alt. Seit seiner Jugend im Sportgymnasium Stams in Österreich träumt er davon, einmal ein Weltcuprennen zu gewinnen. Der Papierli-Polizist, der zwar als Polizist angestellt war, aber nicht als Polizist arbeitete, hat es nie geschafft. Deshalb flog er im Frühling 2021 aus dem österreichischen Ski-Kader.
In Adelboden gewann Johannes Strolz jetzt trotz oder wegen seines Rausschmisses den Slalom – zur Überraschung aller. Die Tränen kullerten ihm über seine Wangen. Viele freuten sich mit ihm. Auch sein gleichaltriger Freund Manuel Feller, der immerhin Zweiter wurde.Feller ist ein aufgeweckter Wuschelkopf. Während im Zielraum mehr als 12’000 Fans ohne Masken um die Wette grölten, brachte Feller die schweizerische Corona-Politik treffsicherer auf den Punkt als gleichentags alle Kommentierenden in den Schweizer Sonntagszeitungen. Er sagte: «Die Schweizer gehen da ein bisschen einen anderen Weg. Die versuchen, an einem Wochenende gleich alle zu durchseuchen.»
SCHLECHTE LUFT. Im Gegensatz zu Deutschland und Österreich lassen wir die Dinge einfach laufen. Ende Januar, auf dem Höhepunkt der Omikron-Welle, dürften sich deshalb zwischen 10 und 30 Prozent der Bevölkerung mit dieser Virusvariante anstecken. Pro Woche! Das schätzte die Präsidentin der Corona-Taskforce, Tanja Stadler, noch vor zehn Tagen. Nun ist sie schon optimistischer, dass es doch nicht so schlimm kommt. Wie auch immer: Alles ist halb so schlimm, wären nur alle geboostert. Das wissen wir jetzt auch. Sind sie aber nicht.
Werden wir uns wenigstens für den Winter 2022/23 halbwegs richtig vorbereiten?
Die Schweiz ist hochkompliziert. Nehmen wir das Beispiel der Schulzimmer. In vielen Kantonen sind schwergewichtig die Gemeinden für gute Luft dort verantwortlich. In anderen die Kantone selber. Und der Bund könnte mit klaren Vorgaben und Fristen alle und alles steuern.
Soweit überblickbar, bestreitet niemand die Tatsache, dass es von Vorteil ist, wenn in den Schulzimmern der CO2-Wert während des Unterrichts möglichst tief ist. Dies fördert nicht nur die Aufnahmefähigkeit der Schülerinnen und Schüler und die Konzentrationsfähigkeit der Lehrpersonen. Nein, es senkt auch die Zahl der Ansteckungen. Beides können wir in den kommenden Jahren gut gebrauchen.
BÄUMLE & SCHMEZER. Die schlechte Nachricht vorweg: Die Luft in modernen Schweineställen ist besser als die Luft in einem durchschnittlichen Schweizer Schulzimmer.
Der Grünliberale Martin Bäumle war lange Zeit immer mit dem CO2-Messgerät im Hosensack unterwegs. Am 30. November 2020 meldete er sich aus dem Bundeshaus mit der Meldung: «Die Luft ist gut im Bundeshaus.» Gut für ihn, aber keine Lösung für die Schulzimmer. Seither ist Bäumle zunehmend verstummt. Leider.
Der Journalist Ueli Schmezer verlässt den Kassensturz und SRF. In den letzten zwei Jahren wies er immer wieder auch auf die schlechte Luft in den Schulzimmern hin. Leider folgenlos! Jetzt ist auch diese Stimme der Vernunft weg vom Bildschirm.
Geschieht was? Wie viele Schulzimmer gibt es eigentlich? In wie vielen Schulzimmern wurde ein CO2-Messgerät installiert? Und: Welche weitergehenden Massnahmen hat wer mit welchen Erfolgen ergriffen? Es braucht Kanton für Kanton ein Inventar.
Weil erstens: Jedes Kind ist wärmeseitig ein 25-Watt-Motörchen. 20 Kinder geben somit 500 Wattstunden an den Raum ab. Durchschnittlich. Die Dicken etwas mehr, die Schlanken etwas weniger.
Und zweitens: Jedes Kind verbraucht pro Stunde 20 Kubikmeter Luft. Wenn es draussen minus 5 Grad kalt ist, braucht das Schulzimmer zusätzlich 3 Kilowatt Heizleistung.
Und drittens: Schulzimmer werden nur während 1500 Stunden im Jahr benutzt.
Was tun, hätte der grosse russische Revolutionär Lenin gefragt. Geschieht in den kommenden zehn Monaten etwas? Wohl eher nicht.