Freudentage

Marie-Josée Kuhn, Chefredaktorin work

Quarantäne-Pflicht weg, Homeoffice-Pflicht weg, fallen demnächst auch das Zertifikat und die Maskenpflicht im öffentlichen Raum? Gegen den massiven Druck der Wirtschaft gibt es im Bundesrat kein Halten mehr. Eine Gewerblerfront fordert sogar einen «Tag der Freiheit»: Alle Corona-Massnahmen sollen an einem Tag fallen. Aber nicht immer sind Rückübersetzungen aus dem Englischen frei von Fallen. «Tag der Freiheit» heisst auch ein Propagandafilm der Nazi-Ikone Leni Riefenstahl über den siebten Reichsparteitag der NSDAP von 1935. Er demonstriert die wiedergewonnene militärische Stärke des Deutschen Reichs nach der Macht­ergreifung der Nazis. Ähm? Okay, viele Gegnerinnen und Gegner der Corona-Massnahmen haben keine Berührungsängste mit Rechtsextrem. An ihrer letzten Corona-Demons­tration in Bern liessen sie die Neonazis sogar vorangehen.

Warum nur will nicht richtig Freude aufkommen?

1A-EIGENGOAL. SP-Gesundheitsminister Alain Berset redet nicht vom «Tag der Freiheit», aber er verkündet «mehrere Freudentage». Und einen Ausstieg aus der Corona-Pandemie, der plötzlich schnell gehen könnte. Und dennoch will nicht richtig Freude aufkommen. Warum nur?

Weil der Hauruckausstieg aus der Pandemie Durchseuchung heisst? Und täglich mehr als 30’000 Menschen in der Schweiz erkranken (Stand 2. Februar)? Etwas, das uns die Rechten von Anfang an zumuten wollten. Und nun rücksichtslos durch­drücken. Oder trübt vielleicht Berset persönlich seine selbstverkündete Freude? Weil er definitiv die Nase voll hat vom «Bad Guy»- Image, das ihm die SVP und die Schwurbler in der Coronakrise anhängen konnten? Und jetzt unbedingt als «Good Guy» vorpreschen und das Ende der Pandemie verkünden möchte? Bevor ihm Ueli, der Corona-Maurer und Trychler-Freund, die Show stiehlt? Sind wir verstimmt, weil dieses narzisstisch gesteuerte Berset-Manöverchen so durchsichtig ist? Oder weil der Gesundheitsminister kürzlich jenes vergiftete Wort in den Mund nahm, das er nie hätte in den Mund nehmen dürfen? Rein aus Selbst­erhaltung nicht. Für Geimpfte sei Omikron eher wie eine Grippe, sagte er am welschen Fernsehen. WIE EINE GRIPPE! Was für ein 1A-Eigengoal – und welche Schadenfreude bei allen Corona-Schwurbelnden! Trübt vielleicht dies unsere Freude? Oder hat uns das Virus derart madig gemacht, dass wir uns gar nicht mehr freuen wollen? Jedenfalls nicht zu früh?

NACH CORONA. Eines ist sicher: «Nach Corona» wird es nicht geben. Weil das Virus bei uns bleibt. Nicht pandemisch, aber endemisch. Und weil uns die Corona­krise verändert hat. Es wird nie mehr sein wie «vor Corona». Nicht nur, weil wir plötzlich masken-, abstand- und homeoffice-erprobt geworden sind. Mindestens wir hier im reichen Norden. Nein, wir haben auch etwas über uns gelernt. Etwas Über­lebenswichtiges: Wenn ein winziges Virus es will, dann sind wir schachmatt. Nicht für immer, aber immerhin. Wo wir doch immer dachten, wir seien die Krone der Schöpfung.

4 Kommentare

  1. Peter Bitterli 6. Februar 2022 um 23:29 Uhr

    Das Schärfste ist die Kontaktschuld via Leni Riefenstahl. Logisch, offensichtlich, einleuchtend, nicht perfide, erhellend.

  2. Falk Sauer 6. Februar 2022 um 11:26 Uhr

    Es ist erschreckend, dass von gewerkschaftlicher Seite so eine Propaganda abgelassen wurde und immer noch wird. Ist die Gewerkschaft etwa auch gekauft von Bill Gates – NGO’s, WHO und Pharma-Mafia ? Sie haben jedenfalls die gleichen Interessen – Demokratieabbau und Zentralisierung der Macht. Das ist nicht mehr meine Gewerkschaft !!!

    • Peter Bitterli 6. Februar 2022 um 12:04 Uhr

      Meine war es nie. Aber die Betonköpfinnen werden Ihre Meinung sicher gerne hören. Danke. Die Sache erledigt sich von selber.

  3. Falk Sauer 6. Februar 2022 um 11:19 Uhr

    Vielen Dank – Sie haben vollkommen Recht.

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