Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern und Gewerkschafterin.
Kürzlich lernte die Briefträgerin einen kennen, der ein Buch geschrieben hat. Genauer: einen Heavy-Metal-Schlagzeuger, der ein sehr feines Buch geschrieben hat. Über einen Briefträger. Ohne selber einer zu sein, beschreibt er einfühlsam dessen Persönlichkeit, dessen Universum und dessen Arbeitswelt.
Das schöne, gelbe (nicht postgelbe, die Farbe sei geschützt) Büchlein in der Hand, taucht die Briefträgerin ab und weg. Ort der Handlung ist ein Quartier in Zürich Anfang der 1990er Jahre. Hauptfigur ist eben der Briefträger, ein schüchterner Mann mit einem grossen Herzen, der es auf seiner Tour möglichst allen recht machen will. Der das Beste wünscht für die Leute, jedenfalls für die sympathischen, denen er die Post bringt. Und sich so nach und nach verstrickt in immer kompliziertere Situationen.
Die Briefträgerin staunt beim Lesen, wie gut der Autor Thomas Pfenninger sich in die Arbeit der Briefaustragenden hineinfühlt, wie detailgenau er sie beschreibt. Die Post soll sich dem Vernehmen nach das Buch besorgt haben. Zwecks Faktenchecks. Wer da wohl die Fakten checken wird?
Es ist erstaunlich, wie gut sich der Autor in die Arbeit der Briefaustragenden einfühlt.
LEICHTER TON. Die Briefträgerin vergisst beim Lesen alles andere und findet sich wieder in einer Welt, die nicht heil ist. Aber erträglich. In leichtem Ton und mit vielen stimmigen Bildern und Assoziationen wird ein Quartierleben eingefangen, das – wie ganz Zürich damals – vom Platzspitz und seinen Auswirkungen beeinflusst wird. Die Briefträgerin begleitet den fiktiven Kollegen, der ihr längst ans Herz gewachsen ist, auf den Wegen durch sein Revier.
«Gleich, später, morgen» ist ein Buch fürs Gemüt. Fürs eigene und für das von Beschenkten. Ist ein Kontrapunkt zum Schrecken dieser Tage und eine kleine Quelle der Unbeschwertheit und Kraft. Und damit eine Art Medizin.
Deshalb verabschiedet sich die Briefträgerin nun für heute. Sie will weiterlesen.
Thomas Pfenninger: Gleich, später, morgen. Kommode-Verlag, ISBN 978-3-905574-00-5, 279 Seiten, ca. CHF 33.–.