Andreas Rieger
Die Europäische Union verfügt über eine europäische Bankenaufsicht, ein Polizeiamt, eine gemeinsame Marktaufsicht, eine europäische Grenzwachagentur und ähnliches mehr. Aber keine europäische Behörde sorgt bisher für die Durchsetzung der Rechte der Arbeitenden, Migrantinnen und Migranten. Wird heute im Land A ein Schleppernetz aus dem Land B aufgedeckt, das Bauarbeiter zu Dumpingpreisen vermittelt, dann sind die Schlepper schnell über alle Berge. Und die Kontrolleure und Behörden im Land A bleiben auf ihren
Klagen sitzen.
UNION DER GLEICHEN. 16 Millionen Bürgerinnen und Bürger der EU arbeiten in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen. Wenn ihre Rechte als Arbeitende verletzt werden, können sie sich an keine europäische Behörde wenden. Das will der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker jetzt ändern. In seiner Rede zur Lage der EU sagte er, es sei absurd, dass eine Bankenaufsicht darüber wache, dass Bankenstandards eingehalten würden, aber keine Arbeitsaufsicht europaweit die Einhaltung des Arbeitsrechts durchsetze. Juncker: «In einer Union der Gleichen kann es keine Arbeitnehmer zweiter Klasse geben. Menschen, die die gleiche Arbeit am gleichen Ort verrichten, sollen den gleichen Lohn bekommen.»
Niemand setzt bisher europaweit die Rechte der Arbeitenden durch.
GOLDENE NASEN. Gleicher Lohn am gleichen Ort, das verlangen die Gewerkschaften schon seit Jahren. Vielleicht kommen sie ihrem Ziel nun etwas näher. Aber der Widerstand gegen Junckers Projekt kommt bestimmt. Im Namen der «Unternehmerfreiheit» will Spanien, wollen aber auch Regierungen aus Mittel- und Osteuropa das Lohndumping weiter wüten lassen. Sie schaden damit den Arbeitnehmenden und protegieren die Schlepper-Unternehmer, die sich mit dem organisierten Dumping goldene Nasen verdienen. Diese operieren längst über die Landesgrenzen hinweg, während die Kontrollbehörden noch an den Grenzen Halt machen müssen.
Andreas Rieger ist Unia-Sekretär und vertritt den SGB im Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB).