Die Schweiz finanziert Putin

Jean Ziegler

Jean Ziegler

Josef Lang ist einer der einflussreichsten Historiker seiner Generation. Und vor allem: Anders als viele Kolleginnen und Kollegen seiner Zunft spricht er eine wohltuend klare und deutliche Sprache. Lang: «Pro Jahr verdient der russische Staat rund 200 Milliarden Dollar mit Erdöl- und Gasexporten. Zwischen 60 und 80 Prozent dieses Handels laufen über die Schweiz, insbesondere über Genf, Zug und Lugano. Allein im Jahr 2016 haben die beiden Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse den in der Schweiz tätigen russischen Unternehmen 300 Milliarden US-Dollar geliehen. Dutzende Firmen, die Olig­archen gehören, operieren in der Schweiz. Auf Schweizer Bankkonten lagern 150 bis 200 Milliarden US-Dollar russischer Oligarchengelder.» Langs Fazit: «Als internationale Drehscheibe für die russischen Vermögen finanziert der schweizerische Finanzplatz die Kriegsmaschine des Kremls.»

Die Schweizer Banken wollen mit den Freunden Putins um jeden Preis im Geschäft bleiben.

BESCHÄMEND. Die Schweizerische Bankiervereinigung bestätigt die Summe der hier gelagerten russischen Vermögenswerte. Und was tut das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) im Wirtschaftsdepartement von Bundesrat Guy Parmelin? Beschämend wenig.
Etwas mehr als 7 Milliarden US-Dollar von Oligarchenvermögen wurden vom Bundesrat bis anhin beschlagnahmt. Wie rechtfertigt er sich? «Technische Probleme» erschwerten die Identifikation der russischen Gelder.

Wie liederlich das Seco arbeitet, zeigt ein jüngster Vorfall. Andrei Melnitschenko ist einer der reichsten Männer der Welt. Intimer Freund und Financier von Putin, gilt er als «König» des weltweiten Düngermarktes. Er lebt in St. Moritz. Die Zeitschrift «Forbes» schätzt sein verfügbares Ver­mögen auf 26 Milliarden Dollar. Dieses Geld hätte das Seco nach der von der Schweiz eingegangenen inter­nationalen Verpflichtung beschlagnahmen ­müssen. Doch Bern tat nichts. Melnitschenko überschrieb seine in der Schweiz gelagerten Vermögenswerte in einer Blitzaktion seiner Frau Aleksandra. Das Seco hatte dagegen nichts ein­zuwenden. Der Oligarch entkam so völlig legal der Beschlag­nahmung.

ZUERST DER FINANZPLATZ. Warum die merk­würdige Trägheit des Seco? Die meisten inter­nationalen Beobachterinnen und Beobachter hegen einen Verdacht. Der Schweizer Bundesrat – in seiner bürgerlichen Mehrheit – will nicht zuallererst die russische Finanzierung des fürchter­lichen Angriffs auf die Ukraine verhindern. Er will zuallererst den helvetischen Finanzplatz schützen. Einmal werden die EU- und Uno-Sank­tionen ein Ende finden. Die beschlagnahmten Oligarchengelder werden dann wieder freigegeben. Die Schweizer Banken wollen mit den Freunden Putins um jeden Preis im Geschäft bleiben.

Cédric Wermuth und Mattea Meyer, das Co-Präsidium der SP, wollen radikale Abhilfe schaffen. Per Motion verlangt ihre Partei vom Bundesrat, ein neues Gesetz zu erarbeiten, das erlauben soll, die beschlagnahmten Oligarchengelder zu enteignen. Sie sollen zum Wiederaufbau der Ukraine an die Regierung in Kiew überwiesen werden. Meyer und Wermuth gehört unsere energische Unterstützung.

Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Sein im letzten Jahr im ­Verlag Bertelsmann (München) erschienenes Buch Die Schande Europas. Von Flüchtlingen und Menschenrechten kam jetzt als Taschenbuch mit einem neuen, stark erweiterten Vorwort heraus.

1 Kommentare

  1. Peter Bitterli 14. September 2022 um 8:53 Uhr

    „Josef Lang ist einer der einflussreichsten Historiker seiner Generation.“ 🤣🤣🤣🤣🤣🤣🤣

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.