Autos sind Symbole ihrer Zeit und ihrer Menschen. Wer erinnert sich noch an Bruno Kreisky, der während 13 Jahren Österreich regierte? Und an sein knallgelbes Cabrio, mit dem er die Insel Mallorca unsicher machte?
KREISKYS KÄFER: Bruno Kreisky, Kanzler Österreichs von 1970 bis 1983, schaffte sich für seinen Alterssitz auf Mallorca ein Volkswagen-Cabriolet an. (Foto: edition-wh)
Willy Brandt, Olof Palme, Bruno Kreisky und Helmut Hubacher waren in der Nachkriegszeit die zentralen Kultfiguren der Sozialdemokratie in Europa und in der Schweiz.
Willy Brandt mit seiner deutschen Ostpolitik. Olof Palme mit seinem Kampf gegen den Vietnamkrieg und für ein neutrales Schweden. Helmut Hubacher mit seinem Versuch, die Linke links der SP in die Partei zu integrieren.
Der intelligenteste Kopf unter diesen vier war Bruno Kreisky. Er war Atheist und Jude und kehrte erst 1951 aus dem Exil in Schweden in das lange noch von Nazis verseuchte Österreich zurück. Dies auf Wunsch seiner eigenen Partei, die damals noch Sozialistische Partei Österreichs hiess.
Die Zahl der Freunde und Bewunderinnen von Bruno Kreisky wird laufend kleiner. Logo, denn Kreisky verstarb im Jahre 1990 und wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof begraben. Während eines ganzen Tages berichtete das österreichische Fernsehen damals immer wieder über die Todesfeier. Und dies jeweils zur besten Sendezeit! Aber während der letzten 32 Jahre floss viel Wasser die Donau hinunter. Und auch viele andere Genossinnen und Genossen fanden inzwischen ihre letzte Ruhestätte auf dem Wiener Zentralfriedhof.
Tote Politiker gehen vergessen, selbst ein Kreisky. Anders sieht es bei den automobilen Oldtimern aus. Sie erfreuen sich reger Nachfrage. Die Preise kennen nur eine Richtung: relativ steil nach oben. Das gilt auch für das knallgelbe VW-Cabrio Jahrgang 1975. Tauchen wir ein in die Vorgeschichte.
DER KÄFER. Im Auftrag der Nazis entwickelte Ferdinand Porsche 1935 den ersten Volkswagen, den ersten Käfer. Die Familien Porsche und Piëch waren Nazis. Darum wurden sie auch nicht enteignet. Der Käfer wurde während des Zweiten Weltkrieges nie zu einem Mobil für die Massen. Die Autofabriken produzierten stattdessen Rüstungsgüter für die Nazis, die SS und die Wehrmacht.Nach dem Krieg eroberten die luftgekühlten Käfer den Massenmarkt, sowohl in Deutschland wie in der Schweiz. Sie wurden das Auto der sogenannt kleinen Leute. Während die besseren Kreise sich in den Jahren des Wirtschaftswunders einen Mercedes leisteten.
Als Bundeskanzler machte Bruno Kreisky Ferien auf Mallorca. Im Ruhestand zog er sich definitiv auf diese «Putzfraueninsel» zurück, wie sie die Schriftstellerin Milena Moser in ihrem gleichnamigen Roman nennt. Kreiskys drei Botschaften in einer: Ich mache erstens dort Ferien, wo Putzfrauen sich Ferien leisten können. Ich fahre zweitens Volkswagen wie meine Wählerinnen und Wähler. Und drittens verschafft ein knallgelbes Cabrio mir zusätzlich den kleinen, wohlverdienten Kick.
VERSTEIGERUNG. Der VW 1303 hatte 50 kW. Natürlich keinen Katalysator. Und soff, obwohl nicht einmal eine Tonne schwer, mehr als 10 Liter pro hundert Kilometer. Und der ineffiziente Säufer vor dem Herrn würde keinen Crash-Test bestehen.
Den Oldtimer erwarb eine anonym bleiben wollende Gruppe von Kreisky-Freunden. Sie liessen das Cabrio restaurieren und stellten es dem Technischen Museum Wien als Leihgabe zur Verfügung. Der heutige Besitzer lässt das Cabrio jetzt versteigern, weil es dem Technischen Museum keine 15 000 Euro wert war. Zwischen dem 29. Juni und dem 2. Juli 2022 kann man und frau beide Zeugen der Vergangenheit in Wien besuchen: zuerst Bruno Kreisky auf dem Zentralfriedhof und dann das Cabrio bei der Auktion im niederösterreichischen Vösendorf.
Links zum Thema:
- rebrand.ly/kreiskyskaefer
Im weitgehend versifften Vösendorf gibt es das Kreisky-Cabrio zu besichtigen. Auf der Homepage des Versteigerers findet sich ein lesenswerter Blog-Beitrag. Das erste Angebot muss mindestens 15 000 Euro betragen. Auf den ersteigerten Preis wird zusätzlich eine Kommission von 15 Prozent geschlagen.
- rebrand.ly/kreiskyinterview
Ein hochspannendes Interview aus dem Jahre 1965 zur Frage der Neutralität. Es lohnt sich, den selbstbewussten Kreisky mit dem dauerverunsicherten Bundesrat Ignazio Cassis zu vergleichen!
Schöne Geschichte! O. K., ich bleib bei meinem Opel Kadett, Jg. 1973 („Ölkrise“), saharagold. Ja, die Erstbesitzerin („Frl.“ Sekretärin…) hatte guten Geschmack, und noch Stahlschiebe-/Sonnendach(!) – auch ohne Mallorca.