Jean Ziegler
Richard Falk bezeichnete das Vorgehen Israels als «staatlichen Terror». Dies ist seither Bestandteil des Uno-Vokabulars.
Der Skandal war perfekt. Richard Falk, der damalige «Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für die Situation der Menschenrechte in den seit 1967 besetzten palästinensischen Territorien», wurde im Dezember 2008 am Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv von Mossad-Agenten festgesetzt. Im New Yorker Uno-Generalsekretariat schrillten die Alarmglocken. Der damalige israelische Uno-Botschafter Yitzhak Levanon rechtfertigte die Aktion: «Falk ist ein Antisemit.» Dieser Vorwurf ist vollkommen absurd. Neben Noam Chomsky ist Falk der wohl berühmteste Intellektuelle des liberalen Judentums in den USA. Als Professor für Völkerrecht an der Princeton-Universität geniesst er Weltruf. Die israelische Diffamierung Falks hat einen anderen, versteckten Grund. In einem Bericht an den Uno-Menschenrechtsrat bezeichnete der temperamentvolle, rhetorisch hochbegabte Professor das Vorgehen der israelischen Regierung als Politik des «staatlichen Terrors». Diese Definition ist seither fester Bestandteil des Uno-Vokabulars.
VIER TAGE UND VIER NÄCHTE. Wie recht Richard Falk hatte, zeigt sich im neusten israelischen Massaker im Ghetto von Gaza. Dort leben auf 365 Quadratkilometern über zwei Millionen Menschen. Es ist der am dichtesten bewohnte Raum der Welt. Achtzig Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner sind Flüchtlinge aus den früheren Kriegen Israels.
Seit 2005 ist das Ghetto völlig isoliert, umzingelt von der israelischen Armee, die auch die Küste und den Luftraum kontrolliert. Israelische Wirtschafts-, Nahrungsmittel- und Medikamentenblockaden richten fürchterliches Leid und Elend an. Mehr als 85 Prozent der Menschen überleben nur dank der humanitären Uno-Hilfsorganisation (UNRWA).
Periodisch bombardieren israelische Flugzeuge Wohnblöcke, Schulen, Spitäler. So auch wieder vom 3. bis zum 6. August, an vier Tagen und vier Nächten. Die Bombardements galten der Widerstandsorganisation Islamischer Jihad. Getötet wurde einer ihrer Kommandanten, aber auch über 50 Frauen, Männer und Kinder. 267 Menschen wurden schwer verletzt, darunter 72 Kinder. Sie erhielten Verbrennungen, mussten amputiert werden, sind fortan gelähmt.
Gegen den israelischen staatlichen Terror kann sich niemand wehren. Raketen der Widerstandsorganisationen werden überwiegend von der israelischen Raketenabwehr («Iron Dome») abgefangen. In Rafa, dem einzigen Grenzübergang zu Ägypten, verhindert der ägyptische Diktator as-Sisi auf Geheiss Israels jede Flucht.
SCHWEIZER KOFINANZIERUNG. Die Schweizer Steuerzahlenden kofinanzieren die israelische Mordmaschine. Beim Rüstungskonzern Elbit aus Haifa hat Bern sechs Drohnen zum Preis von 250 Millionen Franken gekauft. Die beiden ersten wurden im April geliefert. Sie werden jetzt getestet und sollen Ende des Jahres der schweizerischen Luftwaffe übergeben werden. Das Drohnengeschäft ist nur ein Beispiel für die helvetisch-israelische Waffenkooperation. Sie ist eine Schande für unser Land. Die Linke innerhalb und ausserhalb des Parlaments muss ihr ein Ende setzen.
Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Sein 2020 im Verlag Bertelsmann (München) erschienenes Buch Die Schande Europas. Von Flüchtlingen und Menschenrechten kam diesen Frühling als Taschenbuch mit einem neuen, stark erweiterten Vorwort heraus.