Manchmal geht’s auf der Baustelle hektisch zu und her. Doch davon lässt sich Hermann Schober nicht beeindrucken. Als Kranführer vertraut er auf seine ruhige Hand.
KRANFÜHRER Hermann Schober. (Foto: Mara Truog)
Wenn einer die ganze Baustelle überblickt, dann ist es der Kranführer. Hermann Schober ist die Aussicht von weit oben gewohnt. Seit bald vierzig Jahren ist der Umgang mit allen Arten von Kränen sein Job. Darunter auch grosse Ungetüme mit 50 und mehr Metern Höhe. Derzeit bedient er einen kleineren Kran. «35 Meter hoch mit 50 Metern Ausleger», sagt er. Auf der Baustelle im thurgauischen Sirnach, wo er gerade arbeitet, entsteht ein Mehrfamilienhaus.
Was ist das Geheimnis eines guten Kranführers? «Man muss die Nerven behalten, eine ruhige Hand haben und natürlich schwindelfrei sein», erzählt Schober beim Treffen mit work im Coop-Restaurant an seinem Wohnort in Rickenbach SG. Lasten punktgenau an einen bestimmten Ort zu hieven braucht Erfahrung. Und die hat sich Schober in einer langen Berufskarriere in Österreich, wo er geboren ist, erworben.
ZIG TONNEN BEWEGT. Nach der Schule trat er einen Job in der nahen Giesserei an. Dort bediente er den grossen Hallenkran und wurde «Kranist», wie es auf gut österreichisch heisst. In der riesigen Halle bewegte er tonnenschwere Lasten von glühendem Eisen. Kein Job auf Lebenszeit, denn die Belastung war gross.
Schober heuerte danach auf Baustellen an und wurde bald ein versierter Kranführer. Schon Tausende von Tonnen hat er in seinem Job bewegt und befördert. Unter anderem baute er am 171 Meter hohen Millennium-Tower in Wien mit, dem zweithöchsten Wolkenkratzer Österreichs. Die Aussicht auf einen besseren Lohn lockte ihn schliesslich in die Schweiz, wo er seit 2009 arbeitet.
UMGEKIPPTE KRÄNE. Heute ist er auf Baustellen im Raum St. Gallen – Thurgau tätig. Und steht am Ende seiner Laufbahn. Bald ist er 60 Jahre alt und freut sich darauf, vorzeitig in Pension zu gehen. Weil er lange in Österreich gearbeitet hat, ist noch unklar, ob er nächstes Jahr schon Anspruch auf die frühzeitige Pensionierung hat, die in der Schweiz für Bauarbeiter gilt. «Die Unia klärt das für mich ab», sagt Schober. Für Arbeitsmigranten wie ihn, die mit den Schweizer Verhältnissen nicht gleich gut vertraut sind wie Einheimische, ist die Gewerkschaft eine grosse Hilfe.
Das erwies sich schon einmal, als Schober das Pech hatte, bei einer Baufirma angestellt zu sein, die konkursging. «Seit ich in der Schweiz bin, ist mir das schon zwei Mal passiert», erzählt Schober. Es ging ihm Lohn flöten, der ihm zustand, und er musste sich einen neuen Job suchen. Doch als Kranführer sei man gefragt, darum habe er nicht lange suchen müssen. Auch von seiner Arbeit in Österreich her ist er es gewohnt, mobil zu sein und dort zu arbeiten, wo es der Job gerade erfordert.
Auf seinen vielen Baustellen hat Schober allerhand erlebt. Zum Glück blieb er bisher von Unfällen verschont. «Auch beim Kran kann durchaus was passieren», weiss er. Und erzählt von Vorfällen, wo Kräne umgekippt oder eingeknickt sind. «Die grösste Gefahr sind Überlasten», weiss Schober. Da bleibt er jeweils konsequent: Er winkt ab, wenn er hört, ob er nicht noch dieses oder jenes Palett zusätzlich aufladen könne, um Zeit zu sparen.
ZNÜNI IN DER LUFT. Bei grossen Baustellen verbringt Schober viel Zeit hoch oben in der Krankabine. Auch den Znüni gibt’s dort: «Es lohnt sich nicht, herunterzusteigen.» Darum packt er die Verpflegung morgens um viertel vor sieben mit ein, wenn er den Kran hochklettert. Wichtig ist ansonsten, dass die Zusammenarbeit mit dem Polier klappt. «Die Anweisungen kommen über Funk, da müssen wir uns gut verstehen.» Teamwork ist gefragt. Bei kleineren Baustellen bedient Schober den Kran meist von unten per Fernbedienung. Augenmass und Feingefühl sind aber ebenso vonnöten wie oben in der Kabine.
Die harten Jahre auf dem Bau gehen auch am «Kranisten» nicht spurlos vorbei. Hermann Schober ist zwar schlank und wirkt zwäg, doch er hat schon drei Schlaganfälle hinter sich und musste krankheitshalber pausieren. Seitdem nimmt er sich bewusst Zeit und lässt sich nicht mehr hetzen. Und auf tollkühne Dinge, wie zum Beispiel rein aus Spass auf den Ausleger hinauszuklettern und mal in schwindelnder Höhe die Aussicht zu geniessen, verzichtet er heute. «Des hob i hinter mir», sagt er im schönsten Kärntner Dialekt.
Dank den Berufsjahren in der Schweiz darf sich Schober auf eine bessere Rente freuen, als wenn er in der Heimat geblieben wäre. «Ich müsste dann mit tausend Euro Altersrente plus etwas Pensionskasse auskommen, das wäre schwierig.» Der Lohn für einen Kranführer beträgt in Österreich um die 1800 Euro pro Monat. Nun freut er sich auf die Jahre nach dem Arbeitsleben. Er wird sie zusammen mit seiner Frau am Wörthersee bei Klagenfurt verbringen.
Herrmann Schober Die Ruhe geniessen
Hermann Schober ist 1963 in Österreich geboren. Alle paar Wochen reist er nach Hause zu seiner Frau an den idyllischen Wörthersee. Dort steht sein Heim, und dort leben auch seine Angehörigen und Freunde.
FAMILIEN-WG. Unter der Woche bleibt ihm nicht viel Zeit. Nach Feierabend geniesst er die Ruhe. Er lebt in seiner Wohnung in Rickenbach SG zusammen mit einem Grosssohn, der ebenfalls auf dem Bau arbeitet und damit die Familientradition fortsetzt. Schon Hermann Schobers Grossvater und sein Vater waren Bauleute, starben allerdings beide früh: der Grossvater mit 58, der Vater mit 60. Dank der Frühpensionierung für Bauleute in der Schweiz hat Schober nun gute Chancen auf einen angenehmen Ruhestand.
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