Mini-Gagen und nicht einmal Arbeitsverträge: dagegen wehren sich Spaniens Schiedsrichterinnen mit Streik. Die Liga reagiert mit Drohungen – und Verschwörungstheorien.
ABPFIFF: Spaniens Schiedsrichterinnen haben die Nase voll von Hungerlöhnen und fehlenden Arbeitsverträgen. (Foto: Alamy)
Eine «neue Ära des Frauenfussballs» – nichts weniger hatte die spanische Frauenfussballliga (LPFF) versprochen. Nicht ganz zu Unrecht. Schliesslich können seit diesem Jahr endlich auch die weiblichen Fussballcracks Spaniens unter professionellen Bedingungen auflaufen. Das heisst: mit sicheren Arbeitsverträgen und guten Löhnen. Jahrelang mussten die Spielerinnen dafür kämpfen. Entsprechend gross war die Vorfreude auf den 10. September, den Saisonstart der «Liga F», wie die Primera División der Frauen neu heisst.
Letztlich aber wurde es nie angepfiffen, das grosse Liga-Eröffnungsspiel zwischen Atlético Madrid und Real Sociedad. Denn für den Startpfiff fand sich nirgendwo eine Schiedsrichterin. Das hätte die Liga wissen können. Denn die Frauen-Schiris streiken – und zwar seit dem 8. September! Auch die Schiri-Assistentinnen sind im Ausstand.
Kein einziges Spiel, bis die Forderungen erfüllt sind.
160 EURO PRO SPIEL
Gewarnt hatten die Unparteiischen schon früh: «Im Kontext einer neuen und professionell aufgestellten Liga brauchen auch wir Mindestkonditionen für unsere Arbeit.» Die Förderung des Frauenfussballs sei zwar «gerecht und nötig», doch es gehe nicht an, «dass der Beruf der Schiedsrichterin als einziger auf der Strecke bleibt». Ferner erklärten die Schiedsrichterinnen, sie würden «kein einziges Spiel» leiten, wenn die Liga nicht auf ihre Forderungen eingehe.
Heute verdient eine spanische Profischiedsrichterin der höchsten Liga 300 Euro pro Spiel. Eine Linienrichterin sogar nur 160 Euro. Mit derart tiefen Abfindungen sei eine seriöse Vor- und Nachbereitung der Spiele nicht machbar, argumentieren die Streikenden. Nötig seien Arbeitsbedingungen, die es ermöglichten, «die für einen professionellen Spielbetrieb nötige Zeit aufzuwenden», und die «mit jenen der Männer vergleichbar sind». Konkret heisst das: ein fester Arbeitsvertrag mit Mindestlohn und Lohnfortzahlung bei Unfall und Krankheit.
MÄNNER SAHNEN AB
All das ist bei den Männer-Schiris längst Standard. Zudem beziehen sie stolze Gehälter: In der obersten Liga durchschnittlich 12 500 Euro pro Monat. Und selbst in der Segunda División verdient ein Pfeifenmann noch ein Vielfaches von dem, was seine Berufskollegin in der höchsten Frauenliga erhält.
Solche Spitzenlöhne fordern die Streikfrauen nicht. Aber wenigstens ein Jahreslohn von 50 000 Euro soll es sein. Die Frauenliga LPFF aber will davon nichts wissen. Auf den Streik reagierte sie erbittert: Man werde sich nicht «erpressen» lassen, sondern «all jene auf Schadenersatz verklagen, die ihre Pflichten verletzen». Doch schon nach wenigen Tagen krebste die Liga zurück. Heute bietet sie den Streikenden einen Jahreslohn von 25 000 Euro. Das sei leider bloss die Hälfte des Nötigen, entgegneten diese am 12. September. Der Streik gehe daher weiter. Wieder reagierte die Liga postwendend – diesmal mit kruden Theorien.
AUFWIEGLER-PRÄSI
Der Streik, so die Liga, gehe gar nicht von den Schiedsrichterinnen aus. Vielmehr seien diese aufgehetzt worden – und zwar von Luis Rubiales (45), dem Präsidenten des Königlichen Spanischen Fussballverbands. Als Spitzenfunktionär und ehemaliger Chef der Spielergewerkschaft habe Rubiales «die Frauen wieder einmal als Rammbock benutzt, um sein einziges Ziel zu erreichen, den spanischen Frauenfussball zu zerstören». Starker Tobak!
Tatsächlich ist Rubiales nicht gerade als Feminist bekannt. Doch den Frauenfussball zerstören? Schiedsrichterin und Streiksprecherin Marta Huerta de Aza (32) winkt ab: «Wir erhalten von niemandem Befehle, und alleine wir entscheiden für uns!» Ausserdem seien nicht sie es, die den Frauenfussball blockierten, sondern die Liga-Oberen: «Wir möchten ja bloss einen anständigen Arbeitsvertrag!»