Weniger Lohn wegen des aufgeblähten Frankens

Daniel Lampart

Die starke Aufwertung des Frankens lastet schwer auf unserer Wirtschaft. Doch diejenigen Kreise, welche die Aufhebung des Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) befürwortet haben, versuchen, die Berufstätigen in der Schweiz zu beruhigen. Und zwar mit dem Argument, dass sie dank dem überbewerten Franken mehr Kaufkraft hätten. Dank der Überbewertung könnten sie billiger einkaufen und mit weniger Geld in die Ferien fahren.

SCHEINARGUMENT. Diese Behauptung hält einer genaueren Überprüfung nicht stand. Erstens sind wegen der Frankenüberbewertung viele Stellen verloren gegangen. Weil die Firmen die Produktion ins Ausland verlagert haben. Oder Produktionsstätten ganz geschlossen haben. Ein Teil der betroffenen Arbeitnehmenden wurde arbeitslos. Zweitens kamen die Löhne unter Druck. Zunächst in der Exportwirtschaft. Aber nicht nur dort. Mit dem Argument der Null- oder Negativteuerung und den knapper gewordenen öffentlichen Finanzen gab es auch im Service public vielerorts keine Lohnerhöhungen. Selbst im Bau, der regelrecht boomte, war es schwierig, Lohnerhöhungen herauszuholen. Die Arbeitgeber mauerten.

Zwar führten die sinkenden Preise für importierte Waren dazu, dass die Berufstätigen mit ihren Löhnen dennoch etwas mehr kaufen konnten. Oder etwas technischer ausgedrückt: Wegen der sinkenden Konsumentenpreise stiegen die Reallöhne. Doch in anderen Ländern waren die Reallohnerhöhungen höher.


REALLÖHNE. In Deutschland stiegen die Reallöhne seit 2014 fast doppelt so stark wie in der Schweiz. Während das mittlere Reallohnwachstum in der Schweiz bei 1,1 Prozent lag, verzeichnete Deutschland reale Erhöhungen von 2 Prozent pro Jahr. Einerseits wegen der besseren Konjunkturlage, andererseits aber auch dank der Einführung des Mindestlohnes, der in Tieflohnbranchen zu Lohnerhöhungen führte. Im Bau betrug die Reallohndifferenz zwischen Deutschland und der Schweiz beispielsweise rund 1,2 Prozent pro Jahr. Selbst im krisengeschüttelten Frankreich entwickelten sich die Reallöhne insgesamt ungefähr im Gleichschritt mit der Schweiz. Im französischen Bau war das Reallohnwachstum sogar 0,3 Prozent pro Jahr höher.

Trotz dieser Entwicklung gehört die Schweiz nach wie vor zu den Ländern mit den höchsten Löhnen in Europa. Doch unser Land hat einen Teil des Lohnvorsprungs eingebüsst. Die Frankenüberbewertung kommt die Arbeitnehmenden teuer zu stehen.

Daniel Lampart ist Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB).

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