Wegen seiner Katar-Kritik wurde der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) Ziel einer Cyberattacke. Jetzt sind neue Spuren aufgetaucht – sie führen nach Doha, New York und an den Genfersee.
SHARAN BURROW: Die IGB-Chefin kämpfte jahrelang hartnäckig für Arbeiterrechte im «Sklavenstaat» Katar. (Foto: Industriall)
Hie und da kam schon fast so was wie WM-Vorfreude auf. Doch dann liess «SRF Investigativ» die Bombe platzen – knapp drei Wochen vor Anpfiff: Höchste katarische Regierungskreise haben für fast 400 Millionen Dollar mindestens 66 Spione und Manipulatorinnen angeheuert. Ihr Auftrag: dafür zu sorgen, dass dem heftig kritisierten Emirat die Männerfussball-Weltmeisterschaft nicht entzogen wird. Das Konzept dazu stammt laut SRF von der New Yorker Schnüffelfirma Global Risk Advisors. Sie gehört dem ehemaligen CIA-Spion Kevin Chalker. Was er im Schild führte, geht aus geleakten Firmendokumenten klar hervor: Das «Projekt Gnadenlos» sei «darauf ausgerichtet, die Rolle Katars in Operationen zu verbergen und gleichzeitig Technologie sowie menschliche Aufklärung einzusetzen (…), um die öffentliche Meinung zu manipulieren».
«Die Schnüffler sahen den IGB als grosses Problem für Katar».
EINFALLSTOR «AKTIVISTIN»
«Technologie eingesetzt», sprich gehackt, wurde auch gegen den Internationalen Gewerkschaftsbund (IGB) mit Sitz in Brüssel. Den 200-Millionen-Dachverband, in dem via SGB auch die Unia Mitglied ist, traf es Ende 2015. Der Zeitpunkt ist kaum zufällig. Damals verweigerten die Katar-Scheichs den Gewerkschaften noch jegliche Inspektion vor Ort. Deshalb lancierte der IGB eine grosse Kampagne. Dohas Antwort folgte prompt. Es begann mit einer Mailanfrage von Safeena Malik, einer scheinbar international vernetzten Menschenrechtsaktivistin mit Arbeitsschwerpunkt Katar. In Wirklichkeit war Malik keine reale Person, sondern ein hochprofessioneller Fake. Das deckte das US-Wirtschaftsmagazin «Forbes» auf. In Maliks Mails waren Cyberfallen versteckt. Damit wurden Mailkonten des IGB geknackt, darunter jenes der Pressesprecherin von IGB-Präsidentin Sharan Burrow. Dann landeten verfälschte IGB-Mails im Netz. Die Fakes waren Teil einer antigewerkschaftlichen Desinformationskampagne. All das machte der IGB im Januar 2016 publik. Ungeklärt blieb jedoch die Urheberschaft des Cyberangriffs.
DETAILLIERTE PROFILE ERSTELLT
Nun enthüllt SRF: Spuren der Pro-Katar-Hacks führen zu einer IT-Firma aus Indien. Wegen attackierter Fifa-Leute war diese schon 2012 auf dem Radar der Zürcher Staatsanwaltschaft. Doch diese ermittelte ohne Biss. Heute lebt der damalige IT-Firmenboss in einer Oligarchenvilla am Genfersee. Am Anti-Gewerkschafts-Hack haften laut SRF allerdings die Fingerabdrücke von Global Risk Advisors, der Firma von Ex-CIA-Spion Chalker. Es liege ausserdem ein Dokument vor, in dem die US-Firma den IGB als «grosses Problem für Katar» darstelle. Zudem habe Global Risk Advisors ein «detailliertes Beziehungsnetzwerk» erstellt «von Personen, die für die Gewerkschaft arbeiten». Aus dem Dokument gehe auch hervor, inwiefern die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter mit der Fifa zu tun hätten. work hätte die Spur gerne aufgenommen, zumal der Fall für SRF offenbar abgeschlossen ist. Doch der Gebührensender wollte das Dokument partout nicht herausgeben. Sogar eine einmalige Einsicht verweigert er – und zwar ohne Angabe von Gründen.
work online: «Die Akte Katar»
Zum Anpfiff der Fussball-WM veröffentlicht work alle bisher erschienenen Artikel zum Thema im grossen Onlinedossier: workzeitung.ch/katar.