Die klimaschädliche Kohle feiert ein Comeback. Mittendrin: Schweizer Banken und Rohstoffkonzerne mit Sitz in der Schweiz. Das zeigen neue Recherchen von Public Eye.
IM «KOHLEDREIECK»: Die Schweiz beherbergt rund 245 Unternehmen, die eng mit der Produktion und dem Handel von Kohle verflochten sind. Die Mehrheit hat ihren Sitz im sogenannten Kohledreieck: Genf, Zug und Lugano. (Grafik: Public Eye / Flaggen: Adobe)
Eigentlich gibt’s bei uns schon lange keine Kohleminen mehr. Die letzten machten nach dem Zweiten Weltkrieg dicht. Doch die Schweiz ist mitnichten ein Land ohne Kohle. Im Gegenteil: Sie steckt tief drin im globalen Business mit dem Klimakiller. Entgegen allen Erwartungen erlebt Kohle als Energieträger einen Boom. In ihrem neusten Bericht * schreibt die Nichtregierungsorganisation Public Eye: «Noch nie wurde so viel gefördert, gehandelt und verbraucht wie im Jahr 2022.»
Das irritiert. Schliesslich gehört der Kohleausstieg zu den wichtigsten Massnahmen im Kampf gegen den Klimawandel. Doch riesige Länder wie China und Indien, aber auch ärmere Staaten in Afrika und Südostasien gewinnen ihre Energie zu grossen Teilen aus Kohle. Denn: Er ist der billigste Rohstoff, den es gibt. Und auch in Europa wird nach wie vor massiv Kohle abgebaut. Etwa in Deutschland, wo der dreckige Rohstoff im vergangenen Jahr – trotz geplantem Kohleausstieg bis 2030 – noch immer über 27 Prozent der eingespeisten Strommenge ausmachte. Und jetzt, im Zuge des Ukrainekriegs, werden sogar bereits stillgelegte Werke wieder in Betrieb genommen.
40 Prozent des weltweiten Handels laufen über die kleine Schweiz.
SCHÄDLICHER ALS DIE USA
Ein klimapolitisches Desaster, an dem die Schweiz dick mitverdient. Die umfangreiche Recherche von Public Eye zeigt nun erstmals:
- 245 Firmen mit Sitz in der Schweiz produzieren und vermarkten Kohle.
- Im Jahr 2021 haben diese Firmen weltweit 536 Millionen Tonnen Kohle abgebaut.
- 40 Prozent des globalen Kohlehandels laufen über die Schweiz.
- Schweizer Banken haben das Kohlebusiness von 2016 bis September 2022 mit Krediten in der Höhe von 3,15 Milliarden Franken finanziert.
Auch den ökologischen Schaden hat Public Eye berechnet: Die von den Unternehmen in der Schweiz geförderte Kohle verursacht jedes Jahr fast 5,4 Milliarden Tonnen CO2. Mehr als die Emissionen, die die USA als einer der Hauptverursacher ausstossen!
Klimakatastrophe: CS finanziert mit
Die wichtigsten Firmen, die weltweit mit Kohle handeln, sitzen in Genf, Zug und Lugano. Public Eye nennt es das «Schweizer Kohledreieck». Und wenn es um Kredite fürs Kohlebusiness geht, sind die Schweizer Banken ganz vorne mit dabei. Allen voran die Dauerkrisenbank Credit Suisse (CS). Sie steht mit 1661 Krediten weit an der Spitze der Kohle-Geldgeber. Doch auch kleinere Banken wollen mitverdienen, etwa die
HILFE VON SVP-POLITIKER
Und mittendrin: Glencore, mittlerweile der weltgrösste Kohleförderer. Der skandalumwitterte Bergbaukonzern mit Sitz in Baar ZG erwarb in der Vergangenheit 26 Kohleminen auf der ganzen Welt. Ex-Glencore-Chef Ivan Glasenberg spekulierte gegen den Trend, dass die Zeit der Kohle vorbei sei. Und hatte recht. Jetzt kassiert der Rohstoffkonzern mächtig ab. Glencore ist aber längst nicht allein. Vor allem russische Firmen liessen sich mehr und mehr in der Schweiz nieder. Darunter die Giganten Sibanthrazit und Suek. Letzterer ist die Nummer vier im Kohlebusiness und gehört dem Oligarchen Andrei Melnitschenko. Wegen seiner Nähe zu Russlands Präsident Putin steht er auf der Sanktionsliste der EU.
In der Schweiz jedoch bleiben Melnitschenko und seine Suek unbehelligt: Im Kanton Zug, wo das Unternehmen sitzt, hält der SVP-Finanzdirektor Heinz Tännler seine schützende Hand über alle Rohstoff-Skandalfirmen. Und beim Bund sah das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) nichts Böses darin, als Melnitschenko seine Firmen rechtzeitig seiner Frau übertrug, um die EU-Sanktionen zu umgehen.
* Der Kohlebericht als Download und weitere Hintergrundinformationen sind auf publiceye.ch abrufbar. Darunter auch die Petition an den Bundesrat, den Handel mit klimaschädlicher Kohle in der Schweiz bis 2030 zu unterbinden.