Viele Arbeitende mit tieferen und mittleren Einkommen machen sich Sorgen, ob und wie lange sie mit ihrem Geld noch über die Runden kommen. Die Teuerung läuft den Löhnen davon, die Energiekosten steigen, und im nächsten Jahr kommt der Krankenkassenprämien-Schock. Kein Wunder, ist die Konsumentinnen- und Konsumentenstimmung in den Keller gefallen. Das zeigt die jüngste Umfrage des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Seit der ersten Erhebung Ende 1972 haben die Haushalte ihre finanzielle Lage noch nie so pessimistisch beurteilt wie heute.
Tatsächlich hat sich die finanzielle Lage der Haushalte seit den 1970er Jahren fortwährend eingetrübt. Dies zeigt die Grafik rechts. Die rote Line stellt das 10-Jahres-Mittel der Umfrage dar. Sie bewegt sich sukzessive abwärts – mit einem vorübergehenden Ausschlag gegen unten in den 1990er Jahren, als die lange Stagnation der Löhne und die hohe Arbeitslosigkeit grössere soziale Probleme verursachte. Was sind die Gründe für diese graduelle Verschlechterung? Die Grafik zeigt klar: Die 1990er Krise stellte ein Bruch dar. Die Arbeitslosigkeit schoss schnell und steil in die Höhe. Bis die Zahl der Arbeitslosen zehn Mal höher war als in den 1980er Jahren. Erst mit dem Aufschwung 1997 wurde es etwas besser. Doch auch heute sind in der Schweiz über 4 Prozent der Erwerbspersonen ohne Job. Das sind mehr als 200 000 Menschen.
WACHSENDE LOHNSCHERE. Ein grosses Problem sind zudem die Kopfprämien bei der Krankenkasse. In den 1990er Jahren hat der Bundesrat zwar versprochen, dass die Krankenkasse niemanden mehr als 8 Prozent des Einkommens kosten werde. Doch Bund und Kantone sparten bei den Prämienverbilligungen. Heute müssen gewisse Haushalte 14 Prozent und mehr für die Krankenkassenprämien ausgeben. Auch der Druck auf die Sozialleistungen belastet die Haushalte finanziell. Die rechten Parlamentsmehrheiten, die den Arbeitgebern nahestehen, haben die Leistungen der Arbeitslosen- und der Invalidenversicherung gekürzt. Die AHV-Renten wurden nur teilweise an die Wirtschaftsentwicklung angepasst, während die Pensionskassenrenten im Durchschnitt sogar sinken.
Und nicht zuletzt ist die Lohnschere ein Problem: Die Top-Einkommen haben seit den 1990er Jahren stärker zugelegt als der Rest. Positiv ist aber, dass die unteren und mittleren Löhne dank der aktiven gewerkschaftlichen Lohnpolitik ebenfalls stiegen. Nur leider nicht so stark, wie es möglich gewesen wäre, wenn Kader und Top-Verdiener bescheidener gewesen wären.
Daniel Lampart ist Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB).