Alle Preise steigen, aber die Lehrlingslöhne bleiben gleich
«Ohne meine Eltern käme ich nicht durch»

Die aktuelle Teuerung trifft auch die fast 200’000 Lernenden in der Schweiz. Wie kommen sie mit ihren Mini-Löhnen zurecht? work hat vier junge Berufs­leute gefragt.

Plötzlich kostet alles mehr: Krankenkassenprämien, Strom, aber auch Essen, Ausflüge oder Kleider. Die In­flation von aktuell 3 Prozent war vor fast dreissig Jahren letztmals so hoch. Besonders schwierig ist das für Personen mit tiefem Einkommen. So auch für die knapp 200’000 Lernenden in der Schweiz. Besonders für jene unter ihnen, die ihren Eltern nicht auf der Tasche liegen können oder wollen, geht’s jetzt ans Eingemachte.

Jonas Köchli (17), Detailhandelsfachmann aus Zollikofen BE «2 Franken mehr tun weh»

«Ich träume davon, bald auszuziehen. Mit dem Lehrlingslohn muss ich das aber noch genauer kalkulieren. Die Teuerung spüre ich aktuell beim Mittagessen: Für einen Falafel-Dürüm werden seit kurzem 2 Franken mehr verlangt. Das werde ich mir in Zukunft wohl seltener leisten können. Jetzt, im letzten Lehrjahr, verdiene ich rund 1100 Franken. Davon muss ich 200 Franken zu Hause abgeben. Im Gegenzug zahlt mir mein Vater grössere Rechnungen, etwa die Krankenkasse. Zum Glück musste ich aber die Arztkosten für meinen Nasenbruch nicht selber zahlen. Weil es ein Sportunfall war, übernimmt die Unfallversicherung des Betriebs. Mein Lohn ist nicht riesig, aber zurzeit geht es mit dem Geld auf. Und weil ich sehr sportbegeistert bin, bin ich auch im 3. Lehrjahr als Detailhändler in einem grossen Sportgeschäft bei Bern sehr glücklich mit dem Beruf. Es liegt mir einfach, Kundinnen und Kunden zum Thema Sport zu beraten. Am liebsten verkaufe ich Schuhe – egal ob Wander-, Ski- oder Laufschuhe. Generell geniesse ich den Kontakt mit Kunden sehr! Das war auch der Grund, warum ich mich für eine Lehre im Detailhandel entschieden habe.»

Yakut Flori (17), Maurer aus Seuzach ZH«Teurer Ausgang»

«Wenn es Ende Monat knapp wird, helfen mir meine Eltern aus. Ich muss ehrlich zugeben: Ohne sie käme ich kaum über die Runden. Dass jetzt alles teurer wird, merke ich besonders in der Mittagspause bei den teureren Sandwiches oder auch in der Freizeit. Im Ausgang geht jetzt mehr Geld drauf und für Zigis. Als Maurer in Aus­bildung verdiene ich im 2. Lehrjahr 1600 Franken, davon gebe ich zu Hause etwa 500 ab. Warum ich mich für die Lehre als Maurer entschieden habe? Meine Schnupperlehre hat mir Spass gemacht, aber auch der Lohn hat mich sehr gereizt. Dass ich einen hohen Lehrlingslohn habe, liegt sicher auch daran, dass meine Arbeit gefährlich ist und ich bei ­jedem Wetter draussen bin. Obwohl auf der Baustelle immer gute Stimmung und gutes Teamwork herrscht, möchte ich nach der Lehre vielleicht den Beruf wechseln. Die Informa­tikbranche hat mich zum Beispiel schon immer interessiert.»

Fabienne Zurbrügg (19), Fachfrau Gesundheit, Büren a. d. Aare BE«Kochen als Luxus»

«Obwohl mein Lohn nicht riesig ist, bin ich finanziell ziemlich unabhängig von meinen Eltern. Ich wohne aber noch zu Hause und spare so einiges ein. Die steigenden Preise merke ich aber schon. Ich koche ja gerne für mich und meinen Freund. Beim Einkaufen merke ich, dass jetzt viele Lebensmittel sehr teuer geworden sind. Aber dennoch ist es die günstigere Variante, als immer ins Restaurant zu gehen. Ich gehe sehr bewusst mit meinem Geld um. Als Fachfrau Gesundheit im 3. Lehrjahr verdiene ich aktuell etwa 1200 Franken. Wenn ich an den Wochenenden Dienst habe, kommen noch Zulagen dazu. Ob ich monatlich etwas auf die Seite legen kann, ist immer unterschiedlich. Der Lehrlingslohn in der Pflege war für mich zu keinem Zeitpunkt ein Argument, mich gegen diese Ausbildung zu entscheiden. Ich wusste schon immer, dass ich gerne in der Pflege arbeiten möchte. Auch wenn die Arbeitsbedingungen manchmal sehr schwierig sind, liebe ich diesen Beruf. Nach meiner Lehre möchte ich mich gerne weiterbilden, zum Beispiel die Ausbildung zur diplomierten Pflegefachfrau machen.»

Nick Basler* (17), Koch aus Burgdorf BE «Wir sparen beim Öl»

«Das Essen kreativ anrichten, mit neuen Rezepten expe­rimentieren und hungrige Gäste beglücken – diesen Berufstraum hatte ich bereits als Kind. Vielleicht liegt es daran, dass mein Grossvater bereits Koch war. Im 3. Lehrjahr als Koch in einem Hotel im Raum Bern verdiene ich etwa 1300 Franken. Zum Leben reicht mir das. Wo ich die Teuerung aber deutlich spüre, ist in der Küche: Wir müssen jetzt noch bewusster mit den Lebensmitteln umgehen. Bei ­einigen müssen wir sogar richtig sparen – zum Beispiel beim Sonnenblumenöl. Wegen meiner ausser­gewöhnlichen Arbeitszeiten in der Gastro, sind meine Wochen genau durchgetaktet. Umso wichtiger sind mir erholsame Freitage. Doch auch hier spüre ich, dass das Leben gerade teurer wird: Für Ausflüge oder ­Ferien muss ich mehr hinblättern. Aber auf Erholung können wir ja nicht verzichten!»

*Name geändert

Hilfe: Was, wenn’s nicht reicht?

Stefanie Näf vom Berufsbildungsportal Yousty weiss: «Wer mit dem Lehrlingslohn nicht über die Runden kommt, kann sich an seine oder ihre Ausbildnerin wenden oder mit dem Berufsbildungsamt Kontakt aufnehmen.» Wichtig während der Lehrzeit sei neben dem Lohn auch Respekt.

DREIZEHNTER. Auch die Unia setzt sich für faire Lehrlingslöhne ein. ­Hilmi Gashi, Leiter der Interessengruppen (IG): «Die IG Jugend kämpft etwa für einen gesetzlichen 13. Lehrlingslohn.» Und Unia-Jugendsekretär ­Julius Kopp beantwortet Lernenden regelmässig ihre Fragen rund um ­Berufsschule und Betrieb – via Mail (lehre@unia.ch) und auf Instagram: rebrand.ly/frag-julius. (dak)

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.