So schonungslos hat wohl noch niemand die Arbeit auf dem Bau dargestellt wie der Zürcher Fotograf Marius Eckert. Sein Erstlingswerk zeigt die Büezer-Realität roh und ungeschönt.
Schön im klassischen Sinne sind sie nicht. Aber eindrucksvoll. Wenn Marius Eckert (32) zur Kamera greift, entstehen ungeschminkte Bilder. Keine glattpolierten Fassaden, keine heroischen Büezer. Sondern Menschen, welche sich in Rohbauten, düsteren Kellern und engen Schächten abmühen. Oft auf den Knien. Oder auf englisch: «On Knees». So heisst darum auch der spektakuläre Fotoband, den der junge Zürcher Fotograf soeben veröffentlicht hat.
Eckert weiss, wie es auf dem Bau zu- und hergeht. Hat er doch selbst immer wieder auf Baustellen gearbeitet. «Ich musste meine Studiendarlehen zurückzahlen», sagt er zu work.
Eckert hatte zunächst eine Lehre als Elektriker absolviert. Irgendwann bekam er genug davon. Immer nur Decken schlitzen, Drähte ziehen und Schalter montieren befriedigte ihn nicht. Er besann sich auf seine kreative Seite und studierte in Luzern Fotografie. Während des Studiums jobbte er als Temporärer im Stundenlohn auf dem Bau. Insgesamt drei Jahre lang. Dort entstanden die Fotos, die jetzt in «On Knees» versammelt sind. Eine Auswahl aus rund 800 Aufnahmen.
Essen und Pausen sind nur kurze Intermezzi in einer endlosen Malocherei.
ENGE SCHÄCHTE, DUNKLE ECKEN
Wenn er morgens um sechs zur Arbeit fuhr, hatte Eckert seine analoge Kompaktkamera dabei. Mehr als eine ging ihm im Staub und Schutt der Baustellen kaputt. Eckert sagt: «Ich wollte einfach meinen Alltag dokumentieren.» Zunächst ohne künstlerischen Anspruch. Meist drückte er schnell auf den Auslöser – fertig. Keine Pose, keine Inszenierung. So entstanden authentische Aufnahmen: roh und ungeschönt, dafür ganz nah an einem Leben, das sich meist im Staub, Schmutz und Dreck abspielt. Da ist zum Beispiel der Büezer, der sich in einen engen Kabelschacht zwängt. Man fragt sich: Wie kommt der da nur wieder raus? Ein anderer kriecht mühsam aus einer Ecke, ein dritter spritzt einsam Beton ab. Und von einem vierten ist nichts zu sehen als seine Füsse im fahlen Licht der Bauleuchten.
Essen und Pausemachen erscheinen hier nur als kurze Intermezzi in einer endlosen Malocherei. Ein Büezer schläft auf einem Stapel von Holzpaletten, ein anderer legt sich auf eine Isolationsmatte auf dem nackten Beton und lässt sich von einer Halogenlampe wärmen. Ein weiterer Arbeiter nickt gleich am Tisch ein. Zum Zmittag gibt’s Pizza aus der Schachtel, Schnitzelbrot aus dem Säckli und Fastfood aus dem Plasticgeschirr. Alles wird an Ort und Stelle verdrückt. Kann essen trostloser sein?
Im Fotoband «On Knees» gibt es keine Texte. Eigentlich wollte Marius Eckert im Buch ein Vorwort haben. Am liebsten von Endo Anaconda, dem Künstler und verstorbenen Sänger von «Stiller Haas». Schliesslich handelt einer von Anacondas Hits von der Arbeit auf der Baustelle («Znüni näh»). Doch leider kam das nicht zustande. Und dann war Endo plötzlich tot. So blieb es bei den Fotos. Wer sich in die oft grobkörnigen, teils bewusst unscharfen Aufnahmen vertieft, realisiert, dass hier einer der Wirklichkeit verpflichtet ist. Nüchtern, nackt und fadegrad. «Naked Realism» wird diese Stilrichtung auch genannt. Fotokünstler Eckert setzt dabei auf die Analogfotografie mit Negativen. Früher entwickelte er diese sogar noch selber. Jetzt scannt er sie nur noch ein und bearbeitet sie am Computer. Aber so, dass Kratzer und Striemen am Filmmaterial sichtbar bleiben. Schliesslich sieht eine halbfertig gegipste Wand im Rohbau auch nicht anders aus.
Eckert arbeitet jetzt als Fotograf für das «St. Galler Tagblatt». Da wird er von seiner Analogkamera auf eine moderne Digitalkamera umstellen müssen. Er hat aber viele Ideen für weitere Projekte. Projekte auf der Jagd nach neuen Wirklichkeiten.
Marius Eckerts Fotoband On Knees ist im Amsel-Verlag Zürich erschienen, kostet Fr. 59.– und kann über seine Website mariuseckert.com bezogen werden.
Die Post streicht 170 Stellen, weil wir weniger Briefe und Postkarten verschicken sowie weniger Zahlungen am Postschalter tätigen. Gibt es denn keine Alternativen?
Kürzlich in meiner Molkiabteilung: Ein Kunde hält mir eine Packung Milch vor die Nase und fragt, warum diese Milch mit dem heutigen Ablaufdatum noch zu verkaufen sei.