Kriegsgeflüchtete sind bevorzugte Opfer betrügerischer Arbeitgeber. Ein Beispiel aus der Baubranche.
ACHTUNG AUSBEUTUNG: Geflüchtete sind den Chefs oft ausgeliefert. (Foto: ZVG)
Der russische Angriff auf die Ukraine hat in Europa die grösste Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Schon 14 Millionen Vertriebene gibt es laut dem Uno-Flüchtlingswerk UNHCR. Davon fanden 4 Millionen Schutz in EU-Ländern. Am meisten Geflüchtete haben Deutschland und Polen aufgenommen: jeweils fast eine Million. In der Schweiz leben 60’000 Ukraine-Flüchtlinge. Sie haben den Schutzstatus S. Dieser ermöglicht die sofortige Aufnahme einer Arbeit.
Doch einen Job gefunden haben laut dem Staatssekretariat für Migration (SEM) erst 14,7 Prozent. Wobei: Der Prozentsatz der tatsächlich Arbeitenden dürfte höher sein. Denn in der SEM-Statistik nicht berücksichtigt ist Schwarzarbeit. Wie häufig Ukraine-Geflüchtete betroffen sind, ist unklar. Doch das Problem liegt auf der Hand. So warnte das SEM schon kurz nach Kriegsbeginn: «Geflüchtete Personen sind besonders gefährdet, Opfer von Menschenhandel oder anderen Formen von Missbrauch zu werden.» Nun hat die Unia in St. Gallen einen solchen Fall aufgedeckt.
Insgesamt zahlte der Chef 15’000 Franken zu wenig.
AN DEN BEHÖRDEN VORBEI
Maksym Kovalenko* (35) kam mit seiner Ehefrau, dem sechsjährigen Sohn und dem neugeborenen Töchterchen nach einer langwierigen Flucht in die Schweiz. Hier fand er Arbeit auf dem Bau. Er erzählt: «Wir waren in der ganzen Ostschweiz tätig. Ich habe Löcher gebuddelt, Steine geschleppt, Wände gestrichen, Fliesen verlegt, Türen montiert und alte Gebäude abgerissen. Pro Tag arbeitete ich mindestens 12 Stunden, oft auch am Wochenende.» Dass solche Arbeitszeiten illegal seien, habe er nicht gewusst. Auch nicht, dass sein versprochener Lohn von 3750 Franken rund 1000 Franken unter dem GAV-Minimum lag.
Kovalenkos Chef dagegen wusste genau, was er tat. So stellte er den Flüchtling über eine Firma an, die er schon vor Monaten in den Konkurs getrieben hatte! Und: Das Formular für eine Arbeitsbewilligung liess er Kovalenko zwar unterzeichnen, doch der Behörde legte er es nie vor. Das bestätigt das St. Galler Amt für Wirtschaft und Arbeit. Kovalenko, der kein Deutsch spricht, wusste von all dem nichts. Zweifel kamen ihm erst allmählich: «Der Lohn blieb aus. Ich reklamierte, vergebens. Also verweigerte ich die Arbeit. Nun gab es immerhin ein paar Franken – und ein Versprechen: der ganze Lohn komme, sobald die Arbeit fertig sei. Mein Chef war ein Meister der Täuschung!» Bis heute fehlen Kovalenko rund 15’000 Franken. Sein Ausbeuter macht derweil munter weiter. Über eine Strohfrau in Cham ZG führt er längst eine neue Bude. Zwei ihrer Büezer haben nun ebenfalls bei der Unia angeklopft – wegen nicht gezahlter Dumpinglöhne.
*Name geändert
Es ist beschämend, dass es in der reichen Schweiz immer wieder Firmen gibt, die die Not der anderen ausnützen.
Umso besser ist es, dass mit der Unia eine Gewerkschaft da ist, die solche Fälle aufdeckt und für die Rechte der Arbeitnehmenden einsteht.