Die Toblerone-Fabrik des Mondelez-Konzerns in Bern läuft neu auch am Wochenende. Die Arbeiterinnen und Arbeiter ziehen mit, fordern aber im Gegenzug: Sechs Prozent mehr Lohn. Für alle!
KAMPFANSAGE: Unia-Mitglied Urs Brunner macht als Vizepräsident der Personalkommission Druck bei der Geschäftsleitung von Mondelez in Bern. (Foto: Severin Nowacki)
Freie Wochenenden sind rar geworden für die Arbeiterinnen und Arbeiter der Toblerone-Fabrik in Bern. Seit letztem Jahr lässt der US-Lebensmittelkonzern Mondelez die Maschinen auch am Samstag und Sonntag laufen, um die Produktion zu pushen. Der Mondelez-Arbeiter Urs Brunner (52) erklärt: «Die Schichten wurden umgestellt. An drei von vier Wochenenden müssen die Leute jetzt arbeiten. Stattdessen haben sie irgendwann unter der Woche frei.»
Als Elektriker in der Haustechnik ist Brunner davon zwar nicht betroffen. Aber er ist auch Vizepräsident der Personalkommission (Peko) und weiss, was das neue System für die Arbeiterinnen und Arbeiter bedeutet: «Viele sagen, die Erholungszeit sei zu kurz. Es passieren auch mehr Fehler, weil die Konzentration nachlässt. Sie sehen ihre Kinder weniger. Und die Jungen stresst es, dass sie nur noch selten mit Kolleginnen und Kollegen in den Ausgang gehen können.»
«Wir produzieren Jahr für Jahr mehr Toblerone. Jetzt müssen auch die Löhne rauf.»
TOBLERONE-BERGE
Für Mondelez geht die Rechnung auf: Die Fabrik produzierte letztes Jahr 49 000 Tonnen Toblerone. Ein neuer Rekord! Gleichzeitig dümpeln die Löhne der 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dahin. Unia-Mitglied Brunner: «Während Jahren gab es Lohnrunden so um die 0,5 bis 0,7 Prozent.» Letztes Jahr seien es 1,2 Prozent gewesen – aber der grösste Teil davon als individuelle Lohnerhöhungen. «Das heisst, die Chefs bestimmen, wer wieviel bekommt.»
Das wollen die Toblerone-Macherinnen und -Macher jetzt nicht mehr akzeptieren. Im März starten die nächsten Lohnverhandlungen. Die Unia-Betriebsgruppe hat dafür zwei Forderungen verabschiedet: Eine generelle Lohnerhöhung für alle. Und zwar um sechs Prozent. Ein Teil davon soll die gestiegenen Lebenskosten ausgleichen. Allein die Teuerung betrug letztes Jahr 2,8 Prozent. Darin nicht enthalten ist der Anstieg der Krankenkassenprämien. Ivan Kolak von der Unia Bern hat in den letzten Wochen mit vielen Mondelez-Beschäftigten darüber gesprochen und sagt: «Einige zahlen jetzt pro Monat 40 Franken mehr Prämie. Das entsprichtzusätzlichen 0,7 bis einem Prozent ihres Grundlohnes.»
Darüber hinaus sei jetzt eine Reallohnerhöhung fällig, begründet Elektriker Brunner die Forderung von sechs Prozent: «Wir produzieren Jahr für Jahr mehr, übernehmen immer mehr Aufgaben. Jetzt muss der Betrieb auch bei den Löhnen einen Zacken zulegen.» Mindestens 105 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Betrieb sehen das genauso. So viele haben bis Redaktionsschluss mit ihrer Unterschrift die Lohnforderung unterstützt.
CHEFS MÜSSEN DRAUSSEN BLEIBEN
Der breite Rückhalt im Betrieb stärke auch die Peko, freut sich Gewerkschafter Brunner. Die Geschäftsleitung habe bisher Anliegen der Belegschaft lieber ausgesessen statt angepackt. Jetzt aber poche die Peko auf ihre Rechte. Anders als bisher hält sie Betriebsversammlungen ab ohne die Chefinnen und Chefs. «Das hat ihnen gar nicht gepasst», sagt Brunner und schmunzelt. «Aber wir haben ihnen das Peko-Reglement gezeigt. Dort steht es schwarz auf weiss.» Zähne zeigte die Peko auch bei anderer Gelegenheit: Kürzlich wollte das Management neue Regelungen zu Schichten, Ferienbezug und Urlaubstagen erlassen. Brunner: «Die haben wir für nichtig erklärt. Weil sie uns nicht vorher konsultiert haben.»
Mondelez wollte die Fragen von work nicht beantworten. Eine Sprecherin schreibt nur, man äussere sich zu anstehenden Verhandlungen nicht öffentlich.
Brunner und Kolak sind jedenfalls parat für die Verhandlungen. Unia-Mann Kolak sieht die Chancen für einen guten Abschluss intakt. Er zieht die Parallele zu einem anderen Food-Unternehmen ganz in der Nähe: zur Haco in Gümligen bei Bern, Herstellerin von Gewürzmischungen und Müesliriegeln. «Zusammen mit den Arbeiterinnen und Arbeitern haben wir erreicht, dass die Schichtzulagen in der Produktion steigen. Insgesamt erhalten sie jetzt gut 5 Prozent mehr als letztes Jahr.»
Dazu komme, dass sich Mondelez eine deutliche Lohnerhöhung locker leisten könne. Der US-Konzern, dem Marken wie Milka, Cadbury und Oreo oder die Kaugummis Trident und Stimorol gehören, machte im vergangenen Jahr 2,7 Milliarden Dollar Reingewinn. 4 Milliarden verteilte er an das Aktionariat, über Dividenden und Aktienrückkäufe. Also mehr, als Mondelez überhaupt an Reingewinn machte! Pro Aktie stieg die Dividende um zehn Prozent gegenüber dem Jahr zuvor. Kolak: «Das wäre ja auch ein schöner Wert für eine Lohnerhöhung.»
Toblerönli: Produktion in Bratislava geplant
Seit über hundert Jahren kommt jede Toblerone, die irgendwo auf der Welt verkauft wird, aus Bern (work berichtete: rebrand.ly/schoggi-tobler). Mondelez will mit dieser Tradition brechen: Ab Ende 2023 sollen die kleinen Varianten zu 35 und 50 Gramm im slowakischen Bratislava gefertigt werden.
BERN-BRATISLAVA. Laut Medienberichten ist geplant, die Schokoladen- und Nougatmasse weiter in Bern herzustellen und dann zur Weiterverarbeitung in die Slowakei zu transportieren. Die anderen Stückgrössen sollen weiterhin komplett in Bern hergestellt werden. Ziel sei es, die Produktion insgesamt zu erhöhen, teilte der Konzern letztes Jahr mit.
STELLENABBAU? Unia-Mann Ivan Kolak wollte von den Verantwortlichen wissen, was das für die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Schweiz heisse. Er sagt: «Sie haben uns zugesichert, dass in Bern kein Stellenabbau geplant sei. Und dass die Verlagerung auch in den Lohnverhandlungen keine Rolle spiele. Darauf werden wir sie behaften.»