Der Arbeitsmarkt entwickelt sich nach wie vor erfreulich. Die Arbeitslosigkeit sinkt, und die Zahl der offenen Stellen bleibt hoch. Trotz Teuerung, Zinswende und dem Krieg in der Ukraine suchen die Firmen in den meisten Branchen nach neuen Mitarbeitenden. Allerdings nicht überall gleich stark: Im Vergleich gibt es die meisten offenen Stellen derzeit im Gastgewerbe, unmittelbar vor der IT- und der Kommunikationsbranche. Weit oben auf der Liste steht unterdessen auch die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM). Dort waren Mitte Februar rund drei Prozent der Stellen unbesetzt.
BEGEHRTE GELERNTE. Unternehmen im Gastgewerbe, im Gesundheits- und Sozialwesen und auf dem Bau suchen vermehrt auch Beschäftigte ohne Lehre. Dennoch bleiben Berufsleute am gefragtesten. Fast jedes zweite Restaurant und Hotel hat aktuell Mühe, Mitarbeitende mit einem Lehrabschluss zu finden. In der Elektro- und Bauinstallationsbranche geben sogar vier von fünf Firmen an, weniger leisten zu können, weil sie nicht die richtigen Angestellten fänden.
LÖHNE RAUF. Ohne die solide Konjunktur gäbe es nicht so viele offene Stellen. Die Konjunktur alleine erklärt aber nicht, weshalb einzelne Branchen mehr Mühe haben, ihre Stellen zu besetzen. Eindrücklich zeigt dies etwa die Situation bei den Kitas: Die Nachfrage nach Kita-Plätzen ist nicht sprunghaft gestiegen. Dennoch sind zurzeit rund 1000 Jobs für Kinderbetreuerinnen ausgeschrieben – über drei Mal mehr als vor der Coronapandemie. Weil es aktuell viele Möglichkeiten gibt, auch anderswo eine Anstellung zu finden, ist es schlicht noch unattraktiver geworden, in einer Branche zu arbeiten, in der Ausgebildete oft weniger als 4500 Franken verdienen. Immerhin: Die vielen offenen Stellen bringen einige Chefinnen und Chefs dazu, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Etwa in den Tieflohnsektoren. So rechnen die Unternehmen im Gastgewerbe im Branchenvergleich mit dem stärksten Anstieg der Löhne. Für einmal also dürfte der Druck auf dem Arbeitsmarkt den Arbeitnehmenden nützen.
David Gallusser ist Ökonom beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB).