Bezirksgericht Zürich: Historisches Urteil gegen Menschenhandel
10 Jahre Knast für Schweizer Gipsermeister

Vor sieben Jahren stoppte die Unia Zürich einen brutalen Büezer­schinder. Jetzt muss er wegen Menschenhandels hinter Gitter. Doch harte Strafen genügen nicht.

GEFÄNGNIS STATT LUXUS: Menschenhändler LM. muss zehn Jahre hinter Gitter. (Fotos: 20 Min / ZVG / Illu: Ninotschka.ch)

Zehn Jahre Gefängnis, 6000 Franken Geldstrafe, 25 000 Franken Gerichtsgebühr und rund 100 000 Franken Schadenersatz und Genugtuung für die betroffenen Büezer. Diese saftige Strafe hat das Zürcher Bezirksgericht am 20. März einem Schweizer Bauunternehmer aufgebrummt. Das Gericht sprach den 42jährigen des gewerbsmässigen Menschenhandels schuldig. Auch dreizehn weitere ­Delikte sah es als erwiesen an – darunter ­gewerbsmässigen Wucher und mehrfache ­Urkundenfälschung. Es ist ein historisches Urteil! Noch nie zuvor wurde in der Deutschschweiz ein Bauunternehmer wegen Menschenhandels verurteilt. Erst das Strafgericht von Genf hatte 2021 einem auf dem Bau tätigen Menschenhändler den Prozess gemacht. Der neue Fall wiegt aber ungleich schwerer.

«WIE SKLAVEN HALTEN»

Laut der zuständigen Staatsanwältin hat der Mann von 2012 bis zu seiner Verhaftung 2017 Gipser aus Osteuropa mit falschen Lohnversprechen in die Schweiz gelockt und hier zu Stundenlöhnen von 80 Rappen bis 9 Franken ausgebeutet (work berichtete: ­rebrand.ly/buezervergasen). Untergebracht hatte er sie in einer schimmligen Abbruchbude. Zu seiner Frau sagte der Chef sogar einmal: «Die Sieche söttsch all halte wie Sklave, wie imene KZ, vernichte, vergase, das Pack!»

Laut Anklage waren bis zu 100 Arbeiter betroffen. Das schenkte ein. Mehrere Millionen Franken habe der Mann umgesetzt. Steuern oder Abgaben habe er nie bezahlt. Umso mehr blieb ihm für sein Luxusleben.

70 Mal fiel der Gipsermeister auf, bevor die Behörden eingriffen.

SOFORTHAFT WEGEN FLUCHTGEFAHR

Im Privatjet flog er in die Ferien. Im Ferrari fuhr er an Pferderennen nach St. Moritz. Und regelmässig logierte er in Zürcher Nobelhotels wie dem «Dolder Grand». Nun ist fertig lustig. Bei Redaktionsschluss war das Urteil zwar noch nicht rechtskräftig. Wegen Fluchtgefahr hat das Gericht aber sofortige Sicherheitshaft angeordnet. Ende gut, alles gut? Nein, sagt Bruna Campanello, Unia-Sektorleiterin Gewerbe: «Dieser Unternehmer wurde erst nach fünf deliktreichen Jahren gestoppt – das ist viel zu spät!» Tatsächlich ist der Fall für die Behörden kein Ruhmesblatt. Zumal sie mit dem Verurteilten in den fünf Jahren 70 (!) Mal Scherereien hatten. Auch bezeichnend: Es war letztlich die Unia, die den Fall ans Licht brachte. Campanello fordert daher mehr Rechte für die Kontrollorgane: «Wenn sie krasse Regelverstösse entdecken, müssen sie Baustellen sofort schliessen können.» Doch das ist erst im Kanton Genf möglich.

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