So dreist will der Coiffeurverband die Mindestlöhne drücken
Waschen, schneiden, föhnen – bald zu Dumpinglöhnen?

Die Coiffeurbranche ist eine Tieflohnzone. Die Patrons wollen daran nichts ändern, im Gegenteil: Im GAV wollen sie die tiefsten Löhne real senken statt erhöhen. «In­akzeptabel!» sagt die Unia.

GLEICH VIEL ARBEIT FÜR WENIGER GELD: Die Coiffeurmeister wollen die Mindestlöhne in der Branche um 0,9 Prozent anheben. Bei einer Teuerung von 3,4 Prozent! (Foto: Adobe Stock)

Nein, begehrt ist die Lehre zur Coiffeuse und zum Coiffeur schon länger nicht mehr. Nur noch gut 700 junge Berufsleute machten vorletztes Jahr den Abschluss. Zehn Jahre zuvor waren es noch gut 1200 gewesen.

Ein Grund: die historisch tiefen Löhne in der Branche. Laut dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) liegt der Mindestlohn für eine Lehrabgängerin derzeit schweizweit bei 3800 Franken brutto, für einen ungelernten Berufseinsteiger sogar nur bei 3470 Franken. Und das ohne Anspruch auf einen Dreizehnten, den die Unia schon seit langem fordert.

Dieser Vertrag läuft Ende Jahr aus und sollte derzeit neu verhandelt werden. Wird er aber nicht. Véronique Polito von der Unia-Geschäftsleitung spricht Klartext: «Der Arbeitgeberverband Coiffure Suisse hat einen inakzeptablen Vorschlag gemacht und weigert sich, davon abzurücken. So kommen wir nicht weiter!»

«Wir helfen nicht mit, die kantonalen Mindeslöhne zu unerbieten!»

WEIT HINTER DER TEUERUNG ZURÜCK

Konkret wollen die Patrons den Einstiegs-Mindestlohn für Ungelernte, die einen Drittel der Beschäftigten ausmachen, gerade mal um 0,9 Prozent anheben, auf
3500 Franken im nächsten Jahr. Und das bei einer Teuerung von aktuell 3,4 Prozent. Real, also gemessen an den steigenden Preisen, ist das keine Lohnerhöhung, sondern eine Senkung. Doch das ist erst der Anfang.

Auch den heutigen, automatischen Anstieg der GAV-Mindestlöhne in den ersten fünf Berufsjahren will Coiffure Suisse begrenzen: Zwar würden die Löhne zuerst schneller ansteigen, aber nach zwei Jahren wäre Schluss. Für das Gros der Berufsleute mit vier Jahren oder mehr Erfahrung wollen die Patrons nur eine Erhöhung um blamable 0,5 Prozent von derzeit 3880 Franken (für Ungelernte) auf neu 3900 Franken. Ihr Mindestlohn würde also noch weiter hinter der Teuerung zurückbleiben.

EIN FÜNFTEL WENIGER LOHN

Zusätzliche Sprengkraft erhält der Coiffure-Suisse-Vorschlag durch die Lohndrücker-Motion von Mitte-Ständerat Erich Ettlin, die das Parlament im vergangenen Dezember angenommen hat (work berichtete: rebrand.ly/frontalangriff). Demnach soll künftig ein allgemeinverbindlicher GAV einen kantonalen Mindestlohn übersteuern können. Die 3500 Franken Ungelernten-Mindestlohn von Coiffure Suisse entsprächen 18 Franken 92 pro Stunde – für die ganze Schweiz. Für eine Genfer Coiffeuse, die derzeit vom gesetzlichen Mindestlohn von 24 Franken profitiert, hiesse dies eine Lohnkürzung von mehr als einem Fünftel! Und sogar den tiefsten kantonalen Mindestlohn unterbietet der Coiffeurmeister-Vorschlag deutlich. Nämlich den im Tessin, der ab nächstem Jahr bei gut 21 Franken liegt. Unia-Frau Polito stellt klar: «Wir helfen nicht mit, die kantonalen Mindestlöhne zu unterbieten!»

GESPRÄCH VERWEIGERT

Nicht nur für die Coiffeur-Mitarbeitenden sei das ein Rückschritt, sagt sie. Auch für die Branche als Ganzes. Denn es sind ausgerechnet die Mindestlöhne für Geringqualifizierte, die der Verband nach unten drücken will. Während er bei Fachkräften mit dreijähriger Lehre zumindest den Erhalt der Kaufkraft vorsieht (plus 110 Franken oder mehr für nächstes Jahr). Doch unter dem Strich wäre das schlecht für fast alle, ist Polito überzeugt: «Das wäre ein Freipass für Barbershops und Billigketten. Sie könnten noch mehr Ungelernte zu Tiefstlöhnen anstellen und damit die Preise noch weiter drücken.»

Die Unia wolle einen GAV, der den Beruf aufwerte und Dumping bekämpfe, betont ­Polito. «Mit ihrem Vorschlag würde Coiffure ­Suisse genau das Gegenteil bewirken.» Auf die Aufforderung der Unia, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, reagierte der Verband bisher nicht. An work schreibt Präsident Damien Ojetti, man werde Anfang Mai der Delegiertenversammlung ein «Positionspapier» vorlegen, diese werde entscheiden. Dialogbereitschaft klingt anders.

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