Im Ausbaugewerbe braucht’s starke GAV mit Frühpensionierung und mehr Lohn. Da sind sich Stromer-Routinier Hans Eberli und Jung-Heiziger Lukas Tarczali einig. Denn nur so lasse sich der Fachkräftemangel stoppen – und die Energiewende retten.
Eigentlich hat Hans Eberli aus Weinfelden TG kein schlechtes Los gezogen. Als Elektroinstallateur und Bauleiter verdient der 57jährige «einen schönen Batzen», wie er sagt. Und von zu Hause bis in die Bude braucht er genau vier Minuten. Ausserdem habe er ein Top-Team in der Firma, in der er zu den «Fossilen» gehöre. Zwei Dinge aber geben Eberli schwer zu denken: der Fachkräftemangel und der Stress.
Eberli sagt: «Wir sind konstant vier bis fünf Leute zu wenig und könnten auf allen Stufen einstellen.» Bloss finde sich niemand. Auch allen anderen Elektrobetrieben gehe es so. Und das schlage nun voll durch: «Immer öfter müssen wir mehrere Baustellen gleichzeitig bedienen. Da bist du nur noch am Secklä und Überstundenbolzen.» Und Eberli weiss genau: Wenn es so weitergeht, wird’s noch schlimmer.
REKORDHOHE LEHRABBRÜCHE
Denn mit der Energiewende gegen die Klimakrise schnellt der Personalbedarf in die Höhe. Allein im Photovoltaik-Bereich braucht es laut dem Bundesamt für Energie eine Verdoppelung der Arbeitskräfte auf 12 000 Personen – bis 2030! Und auch die Ladestationen für den E-Auto-Boom muss jemand montieren. Doch schon beim Nachwuchs hapert’s. Beinahe 34 Prozent der angehenden Elektroinstallateurinnen und -installateure haben 2017 die Lehre abgebrochen – ein Negativrekord! Zum Vergleich: Im Durchschnitt aller Berufe wurden nur 22 Prozent der Lehrverträge aufgelöst. Eberli ist nicht erstaunt: «Nach vier Lehrjahren verdienst du zwar 5000 Franken, aber viel höher kommst du nicht so schnell.» Da sei es nur logisch, dass viele Ausgelernte so bald wie möglich ins besser bezahlte Büro wechselten.
«Wir sind nur noch am Secklä und Überstunden-bolzen.»
STROMER-MARSCH FÜR GAV
Was zu tun wäre, liegt für den Routinier auf der Hand: «Es braucht einen besseren Gesamtarbeitsvertrag!» Der Zeitpunkt wäre günstig. Der geltende GAV läuft Ende Jahr aus, die Neuverhandlungen laufen. Wo der Handlungsbedarf am grössten ist, zeigt eine Unia-Umfrage unter 2000 Berufsleuten: Für 63 Prozent kann der Stromer-Exodus nur mit höheren Löhnen gestoppt werden. 44 Prozent gaben an, sie hätten die Branche schon einmal verlassen wollen. Und für 46 Prozent ist der Termindruck ein Kündigungsgrund.
Eberli vermisst ausserdem die Frühpensionierung. Dass eine solche möglich wäre, zeigt die Elektrobranche im Wallis und in Genf selbst. Dort gelten kantonale GAV inklusive Frühpension. Der nationale Arbeitgeberverband EIT.swiss dagegen stellt bislang auf stur. Doch Gewerkschafter Eberli weiss: «Steter Tropfen höhlt den Stein.» Er ist zuversichtlich: «Bei uns im Osten haben wir eine ziemlich starke Unia-Stromergruppe.» Auch Eberlis Sohn macht dort mit. Zusammen werden die beiden am 1. Mai aufmarschieren, zu Hause in Weinfelden. Und wahrscheinlich auch im Herbst noch mal, wenn die GAV-Verhandlungen in die heisse Phase gehen.
NUR 4400 FRANKEN LOHN
Nicht nur die Elektrobranche steht gehörig unter Strom, auch bei den Gebäudetechnikern brodelt’s. Denn auch ihr Gesamtarbeitsvertrag läuft Ende Jahr aus – und braucht ebenfalls dringend ein Update.
Einer, der sich besonders ins Zeug legt dafür, ist Lukas Tarczali. Der 23-jährige Heizungsinstallateur und passionierte Schweisser aus Schaffhausen sammelt auf seinen Baustellen regelmässig Unterschriften. Um den Druck auf die Arbeitgeber zu erhöhen. Er sagt: «Bisher hat jede und jeder unterschrieben.» Das sei aber auch kein Wunder. Denn: «Überall wird geklagt über Stress und Überstunden.» Selbst er, der erst wenige Berufsjahre auf dem Buckel hat, spüre die Veränderungen schon deutlich. «Das Arbeitsvolumen ist gestiegen, und viele Kollegen haben gekündigt. Was uns bleibt, ist das Ghetz.» Und dies bei unterdurchschnittlichen Bedingungen. Im Vergleich zum berufsverwandten Elektro-GAV etwa schneidet der GAV Gebäudetechnik noch deutlich schlechter ab.
Das zeigt sich etwa beim Lohn. Zwei Jahre nach dem Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) verdient ein Gebäudetechniker bis zu 900 Franken weniger als eine Stromerin. Tarczali kommt drei Jahre nach seinem Lehrabschluss auf 4400 Franken im Monat. Da müsse sich die Branche schon noch bewegen. «Sonst können wir die Energiewende vergessen!» Die aber sei ihm sehr wichtig. Deshalb habe er auch kein Problem, eine Wärmepumpe nach der anderen zu installieren. Aber dann sollten wenigstens die Rahmenbedingungen stimmen. Dass es anders ginge, zeigt auch hier die Westschweiz. Im Kanton Waadt, wo die Gewerkschaften besonders stark sind, gilt nämlich ein separater GAV. Die Unterschiede sind enorm!
«Die Branche muss sich bewegen, sonst können wir die Energiewende vergessen!»
DIE WAADT MACHT’S VOR
Der Mindestlohn ein Jahr nach der Lehre liegt 660 Franken höher. Täglich sind 15 Minuten Pausen bezahlt, null Minuten gibt’s im Rest der Schweiz. Die Mittagsspesen betragen 21 statt 15 Franken. Der Arbeitsweg wird komplett bezahlt. Auch masslose Überstunden verhindert der Waadtländer GAV. Denn ab einer 45-Stunden-Woche ist jede zusätzliche Stunde mit einem Zuschlag von 25 Prozent zu entschädigen. Und selbst die Frühpensionierung haben die Vaudois bereits. Tarczali sagt: «All das steht auch uns zu!»
Damit’s auch wirklich vorwärtsgeht, engagiert er sich in der lokalen Branchengruppe der Unia – zusammen mit rund 30 Spenglern, Sanitärinnen und Lüftungsanlagebauern. Und diesmal gibt’s sogar Support von den Unia-Stromern (siehe links). Deren Berufskonferenz hat nämlich beschlossen, ihre GAV-Kampagne mit jener der Gebäudetechniker zusammenzulegen. «Ein starkes Zeichen», freut sich Tarczali, der seinerseits nichts unversucht lässt. Als Juso-Mann kandidiert er im Herbst sogar für den Nationalrat. Denn noch fehle sie, «die Büezerstimme in Bundesbern»!
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