Laura Gonzalez Martinez ist Verkäuferin in Zürich und Gewerkschafterin.
«Ich habe gehört, dass Sie nicht zufrieden sind, Frau Gonzalez?» So beginnt das Gespräch mit dem freundlichen HR-Menschen aus der Personalabteilung. Das habe ich schon oft gehört: die unzufriedene Frau Gonzalez. Sobald ich eine Veränderung anstrebe, um unsere Arbeitsbedingungen zu verbessern, bin ich die Unzufriedene. Ich will mal klarstellen: Ich bin ein zufriedener Mensch. Ich habe eine Arbeit, die mir gefällt, ein Team, das nicht toller sein könnte. Alle, die mir lieb sind, sind gesund. Ich habe ein spannendes Hobby und geniesse das Leben. Moll, ich bin zufrieden und dankbar. Besser könnte es nicht sein.
Immer wenn ich unsere Arbeitsbedinungen verbessern will, gelte ich als die Unzufriedene.
EHRGEIZ. Oder doch? Könnte der Lohn fairer sein, um besser bis Ende Monat durchzukommen? Könnte das Gefühl von Ausnutzung durch Wertschätzung ersetzt werden? Ja! Das und vieles mehr, die Liste ist lang. Das, was noch zu ändern ist, zeigt sich im Alltag auf der Arbeit, und Frau Gonzalez kann nicht anders, als darauf hinzuweisen. So laut, dass sogar der nette HR-Mensch sich in die Filiale bemüht. Ich fühle mich in dieser Situation zwar ausgestellt, aber nicht allein. Ich weiss ganz genau, dass nicht nur ich unzufrieden bin. Das Wort Unzufriedenheit nervt mich total. Als wären wir graue, verbitterte Gestalten, die dauernd eine Schnutte ziehen. Ich nenne das: Ehrgeiz, Interesse an der Arbeit, einen Sinn für Gerechtigkeit und Entschlossenheit.
HINDERNISSE. Kürzlich dämpften Rückschläge meine Entschlossenheit, und ich fühlte mich etwas schwach. Die wunderbare Fee der Spätschicht bemerkte, dass die ansonsten laute Laura heute eher still ist. Ich sagte ihr, dass es manchmal schon schampar ermüdend sei, gegen scheinbar unüberwindbare Windmühlen zu kämpfen. An solchen Tagen scheint vieles aussichtslos. In der Pause erhaschte ich ein paar Sonnenstrahlen, und alle meine Arbeitsgspönli gesellten sich zu mir. Wir lachten viel, und die Entschlossenheit kehrte zurück. Das Team und die Freude an der Arbeit geben mir Kraft, laut zu sein und dranzubleiben, auch wenn manchmal die Hindernisse riesig erscheinen. Am 16. September werden sie kleiner. Dann ist die grosse Lohndemo in Bern. Wir werden viele sein, laut, und wie mein lieber HR-Mensch sagt, unzufrieden. So lange wie nötig.