Die Reichsten der Schweiz erhitzen das Klima immer stärker. Geringverdienende dagegen haben die Zwischenziele des Pariser Klimaabkommens häufig schon erreicht. Jetzt will Nationalrätin Natalie Imboden den Kampf gegen Ungleichheit mit Klimaschutz verbinden.
KLIMASÜNDER: Die Grafik zeigt, dass der durchschnittliche CO2-Ausstoss der reichsten 5 Prozent seit 1990 von 56 Tonnen auf 76 Tonnen pro Jahr gestiegen ist. (Foto: Keystone /Grafik Tages-anzeiger)
Seit der historischen Klimakonferenz von Paris sind bereits acht Jahre vergangen. Das antarktische Eis und die alpinen Gletscher sind in diesem Zeitraum in neuem Rekordtempo geschmolzen. Die Weltmeere sind so warm wie nie zuvor, und Wetterextreme nehmen weltweit zu. Inzwischen verbleiben nur noch sieben Jahre bis zur nächsten Pariser Wegmarke: Bis im Jahr 2030 muss die Schweiz ihre CO2-Emissionen gegenüber dem Jahr 1990 mindestens halbieren.
In der Schweiz haben die Reichsten ihren CO2-Ausstoss um 36 Prozent vergrössert…
REICHE KLIMASÜNDER
Doch ohne griffiges CO2-Gesetz und ohne massive öffentliche Investitionen ist dieses Ziel kaum noch zu erreichen. Das Total der jährlichen Emissionen, inklusive Import und Flugreisen, beläuft sich in der Schweiz derzeit auf mehr als 12 Tonnen CO2-Äquivalente pro Kopf und Jahr. Zum Vergleich: In Indien liegt dieser Wert bei nur 1,6 Tonnen. Aber auch unser Nachbarland Frankreich liegt mit 6 Tonnen wesentlich tiefer. In der Schweiz müssten die Emissionen bis im Jahr 2030 ebenfalls auf unter 6 Tonnen pro Person schrumpfen.
Doch solche Durchschnittswerte verschleiern eine wichtige Dimension in der Debatte. Denn bei der Belastung des Klimas gibt es nicht nur riesige Länderunterschiede. Auch innerhalb der Länder ist der Fussabdruck ganz unterschiedlich gross – je nach Grösse des Portemonnaies. Für die Schweiz gilt das ganz besonders: Bei den reichsten 5 Prozent hat der durchschnittliche CO2-Ausstoss seit 1990 von 56 Tonnen auf 76 Tonnen pro Jahr zugenommen. Das ist ein Plus von 36 Prozent! Gerade umgekehrt ist der Trend am unteren Ende der Skala: Die Emissionen der ärmsten 5 Prozent haben sich in der gleichen Zeit um durchschnittlich einen Viertel reduziert. Damit liegen sie bereits jetzt unter dem Pariser Zwischenziel für das Jahr 2030. Das zeigt eine neue Studie des World Inequality Lab, einer Forschungsgruppe um den französischen Ökonomen Thomas Piketty.
Klimademo: Alle auf die Strasse!
Die Unia unterstützt die Klimademo vom 30. September in Bern. Ab 14 Uhr geht es gemeinsam für Klimagerechtigkeit auf die Strasse. Auf dem Bundesplatz gibt es Reden, Konzerte, feines Essen und mehr: klima-demo.ch. (isc)
100 PRIVATJETS PRO TAG
Die Studie stützt sich bei der Berechnung der individuellen Emissionen auf eine breite Palette von Daten. Diese reichen von der Ernährung über Flugreisen bis hin zu Fahrzeugtypen. Von grosser Bedeutung sind auch die gehandelten Waren und Dienstleistungen sowie die Kapitalinvestitionen.
Mit den frappanten Unterschieden muss sich jetzt auch das Schweizer Parlament befassen: Die Grünen-Nationalrätin Natalie Imboden fordert mit einer Motion eine progressive Steuer auf den CO2-Verbrauch. Damit müssten die reichen Grossverbraucherinnen deutlich mehr bezahlen – zugunsten der Normal- bis Geringverbraucher. Imboden erklärt: «Klimaschutz sollte nicht nur sozialverträglich, sondern auch verursachergerecht sein.» Gemäss dem Ende 2022 veröffentlichten Bundesratsbericht «Verteilung des Wohlstands in der Schweiz» besitzt 1 Prozent der Bevölkerung 44 Prozent des gesamten Reichtums im Land. Dazu Imboden: «Diese ungleiche Verteilung der Vermögen ist in Westeuropa einzigartig und erklärt auch die überproportiona-le Belastung des Klimas durch die Reichsten in der Schweiz.» Imboden findet es skandalös, dass hierzulande täglich immer noch durchschnittlich 100 Privatjets starten können, ohne einen Rappen Treibstoffsteuer zahlen zu müssen. Und auch der Linienflugverkehr bleibt trotz Klimakrise steuerfrei.
…während die Ärmsten ihre Emissionen um einen Viertel gesenkt haben.
JUSO WILL ERBSCHAFTSSTEUER
Auch die Juso will für den Klimaschutz die Reichsten zur Kasse bitten. Mit ihrer Initiative «Für eine soziale Klimapolitik – steuerlich gerecht finanziert» sollen Erbschaften von über 50 Millionen Franken mit 50 Prozent besteuert werden. Die Unterschriftensammlung läuft.