Er ist ein typischer Vertreter seines Berufs und seiner Generation: Juan Ramón González Martínez. Mit zwanzig ist der spanische Bauarbeiter in die Schweiz gekommen und hat hier Wurzeln geschlagen. An früher denkt er etwas wehmütig zurück.
JUAN GONZALEZ (50) versteht gut, wenn junge Menschen heute einen Bogen um die Branche machen. (Foto: Stefan Bohrer)
Ein Hitzetag im Sommer 2023. Wer kann, flüchtet sich in den Schatten. Juan González Martínez kann nicht: Auf der Baustelle in Pfeffingen BL brennt die Sonne erbarmungslos auf den 50jährigen Spanier und seine Kollegen. Ihr Arbeitgeber stellt ihnen eine Stirnblende mit Nackenschutz zur Verfügung, Sonnencrème müssen sie selber berappen. Zum Gespräch treffen wir uns in der Baracke für die Mittagspause. Auch hier ist es nicht kühl, aber wenigstens schattig.
1993 ist Juan González Martínez in die Schweiz gekommen. In Spanien herrschte damals Arbeitslosigkeit; ein Kollege, der schon in der Schweiz war, erzählte ihm von einer Firma in der Schweiz, die Arbeitskräfte suche. «Er sagte: Probier’s mal aus», erinnert sich González. «Wenn’s nicht passt, gehst du wieder zurück.» Es hat gepasst, er lernte auf einem Fest seine spätere Frau kennen, wurde in Basel sesshaft. Seine Frau ist Spanierin zweiter Generation. Die zwei Kinder Zaira (16) und Adrian (11) sind hier geboren, haben den Schweizer Pass. «Ich nicht», sagt er achselzuckend. «Vielleicht irgendwann.»
GANZ EUROPA AUF EINER BAUSTELLE
González ist Schaler. Er macht verschiedene Betonier- und Maurerarbeiten und stellt Gussformen für die Bauelemente her. González kann zupacken und macht nicht grosse Worte. Aber er scheut sich nicht, die Dinge beim Namen zu nennen. Er zeigt auf die Baustelle. «Viel zu wenig Leute», sagt er. Seit einem Monat bauen sie zu viert an einem riesigen Einfamilienhaus, eine Baustelle, auf der früher wohl sieben Personen gearbeitet hätten. Immerhin haben sie Glück mit dem Polier: Jeweils um 15 Uhr gibt’s eine Glacepause. «Das ist nicht bei allen so», sagt González.
Die Arbeitstage auf der Baustelle sind lang. Von März bis September dauern sie von 7 bis 17 Uhr, eine Stunde Mittagspause. Im Winter sind es 7 bis 7,5 Stunden. Zwar war die Arbeit auf dem Bau schon immer hart. Aber: «Als ich angefangen habe, war es viel familiärer», sagt er. «Damals gab es nur Spanier, Italiener und Portugiesen.» Heute werde Polnisch, Kroatisch, Albanisch gesprochen. Die Verständigung klappe zwar gut, alle sprechen ihre Version von «Schwizerdütsch», aber der Zusammenhalt fehle oft. «Früher kannten die Chefs die einzelnen Namen. Heute sind wir Arbeiter wie eine Nummer», sagt González. Darunter leide die Solidarität. «Jeder schaut für sich. Wenn früher jemand Nein sagte, sagten die anderen auch Nein. Wenn ich heute ‹Nein› sage, sagen die anderen ‹Vielleicht›.»
Foto: Stefan Bohrer
STOLZER GEWERKSCHAFTER
Juan González ist einer, der auch mal Nein sagt. Er steht für die Rechte der Arbeiter ein. Seit er in der Schweiz ist, ist er Gewerkschaftsmitglied. «Meine Chefs wussten immer, dass ich in der Gewerkschaft bin», sagt er lachend. Er ist immer dabei, wenn die Unia ruft. Das hat vielleicht auch mit seiner Herkunft zu tun. «In Spanien war ich vom ersten Arbeitstag an Mitglied in der Gewerkschaft, das war obligatorisch», erzählt er. Auch in der Schweiz hat er die Erfahrung gemacht: «Wenn du dabei bist, hast du keine Probleme.» Er überzeugt deshalb auch junge Arbeitskollegen, bei der Gewerkschaft mitzutun. Allerdings sei es immer schwieriger, junge Menschen zu finden, die sich auf dem Bau bei Regen, Frost und Hitze abrackern wollen.
Noch zehn Jahre muss er durchhalten: «Augen zu und durch. Aber wenn ich noch zwanzig Jahre vor mir hätte, würde ich kündigen.» Mit seinem Arbeitgeber ist Juan González zufrieden. Aber er hat auch beobachtet, dass sich in der Branche viele schwarze Schafe tummeln, die Arbeiter zu Dumpinglöhnen, schwarz oder am Wochenende beschäftigen. Und viele machten damit Druck, dass sie billigere Arbeitskräfte aus Polen oder Kroatien in die Schweiz holen würden. Der zunehmende Leistungsdruck, die langen Arbeitszeiten – das alles ist auch für die Familie eine Belastung. «Es macht keinen Spass mehr», meint González. Wer kleine Kinder habe, sehe sie kaum. «Ich habe eine gute Beziehung zu meinen Kindern», sagt er. «Das ist kein Problem. Die verstehen das. Aber junge Väter mit einem weiten Arbeitsweg sehen ihre Kinder maximal 2 Stunden am Tag.»
EINE EINLADUNG AN DIE POLITIK
Und dennoch: Blickt er auf sein Arbeitsleben zurück, schwingt da auch Berufsstolz mit. Überall sieht er Zeugnisse seiner Arbeit, einen Tunnel in Liestal, einen Kreisel in Muttenz. Er wünscht sich, dass er und seine Kollegen mehr gesellschaftliche Anerkennung erhalten und gerecht behandelt werden. «Ich möchte allen Politikern sagen, kommt mal zu uns auf die Baustelle und arbeitet eine ganze Schicht mit uns.» Und zwar egal, ob draussen 39 Grad Hitze oder minus 10 Grad Kälte herrschen. «Dann schaut ihr, ob die Bedingungen gerecht sind oder nicht.» Sagt’s, montiert Helm und Sonnenschutz und geht zurück an die Arbeit.
Juan González Mit Bauhelm und Angelrute
Juan Ramón González Martínez ist in Galicien, Spanien, aufgewachsen und hat dort bereits als Jugendlicher auf dem Bau gearbeitet. Als Schaler bei der Firma Huber Straub verdient er im Monat 5000 Franken brutto. Er ist Mitglied der Unia, wo er auch als Baupräsident amtet.
FAMILIE. González lebt mit seiner Frau, einer Pflegefachfrau, und seinen beiden Kindern Zaira (16) und Adrian (11) in Basel. In seiner Freizeit geht er gerne mit Kollegen und seinem Sohn fischen, oft ins Elsass, wo sie Forellen, Zander und Hechte fangen. Seine Eltern leben in Santiago de Compostela, jedes Jahr fährt die Familie in den Sommerferien in seine alte Heimat. Seine Kinder sind sein ganzer Stolz – seine Tochter ist im zweiten Jahr ihrer Ausbildung zur Fachfrau Kinderbetreuung und arbeitet mit Kindern mit Downsyndrom. Sohn Adrian spielt Trompete in einer Guggemusig. Trotz der harten Arbeit ist Juan González «gesund wie ein junger Mann. Ich habe keine Rückenschmerzen, gar nichts.»
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