Ratgeber
Ein Pfnüsel kommt selten allein

Viele Leute sind verunsichert: Bei welchen ­Symptomen muss ich zu Hause bleiben? Sind Coronatests noch sinnvoll? Wann brauche ich ein Arztzeugnis? work beantwortet die wichtigsten Fragen zur Grippesaison.

GESUNDHEIT: Taschentücher-Produzenten haben derzeit wieder Hochkonjunktur. Meist quält uns aber mehr als ein Schnupfen, und dann bleiben wir besser zu Hause. (Foto: Getty Images)

Gibt es zurzeit offizielle Empfehlungen, bei welchen Symptomen man zu Hause bleiben soll?

Auf der Website des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) heisst es eher allgemein: «Wenn Sie Erkältungssymptome haben, sollten Sie Kontakte mit anderen Personen, insbesondere mit besonders gefährdeten Personen, vermeiden und zu Hause bleiben. Falls das nicht möglich ist, tragen Sie eine Maske und halten Sie Abstand.»

Es ergibt für niemanden Sinn, wenn Sie sich krank zur Arbeit quälen.

Eigentlich sei die Situation momentan wie vor Corona, so ­Brigitta Danuser, Arbeitsmedizinerin: «Jeder und jede muss sich auf sein Gefühl verlassen, wann zu Hause zu bleiben klüger ist als zu arbeiten und womöglich die Kolleginnen und Kollegen anzustecken.» Etwas habe sich jedoch geändert: «Früher war es in vielen Betrieben selbstverständlich, auch krank zur Arbeit zu erscheinen. Ich erlebe in meinem Umfeld, dass sich Mitarbeitende öfter zu Hause auskurieren als vor der Pandemie oder dass sie eine Maske tragen, wenn sie nicht ganz gesund sind.» Auch von Arbeitgeberseite her sei die Erwartung, dass Mitarbeitende in möglichst jedem Fall zur Arbeit kommen, deutlich kleiner geworden.

Sollte ich bei einer Erkältung nicht arbeiten gehen?

«Das lässt sich nicht genau und für jeden Fall definieren», sagt ­Arbeitsmedizinerin Danuser. «Ich bin auch schon erkältet an einer wichtigen Sitzung erschienen. Aber: Wenn man sich krank fühlt, arbeitet man nicht gut.» Es ergibt für niemanden Sinn – weder für einen selbst noch für das Umfeld und den Betrieb –, wenn Sie sich krank zur Arbeit quälen.

Wann ist es sinnvoll, einen Coronatest zu machen?

Spielt es eine Rolle, ob man Corona oder Grippe hat? Mittlerweile sind schwere Verläufe bei Corona sehr selten. Auch Brigitta Danuser sagt: «Jetzt rollt die Grippewelle sowieso an, und Corona ist mittlerweile in unserem Empfinden wie eine Grippe.» Ein Co­ronatest ist also nicht zwingend, ­sofern die Krankheit ohne Komplikationen verläuft und Sie sich zu Hause auskurieren können. Allerdings sei die Angst vor Long Covid nach wie vor da und auch das Risiko, daran zu erkranken, nicht klein, so Danuser. Ein PCR-Test kann Ihnen im Fall einer Long-Covid-Erkrankung dabei helfen, bei Versicherungen zu Ihrem Recht zu kommen.

Wann darf die Chefin oder der Chef ein Arztzeugnis ­verlangen?

Nach einer bestimmten Frist, die in der Regel im Arbeitsvertrag festgelegt ist. Meistens sind das drei oder fünf Tage. Es gibt aber auch Arbeitgeberinnen, die bereits nach einem Tag eines einfordern. Rechtlich gesehen ist das erlaubt. «Wenn man gezwungen ist, schnell ein Arbeitszeugnis vorzuweisen, ist das eher kontraproduktiv», sagt Brigitta Danuser. Wenn man eine banale Krankheit habe, brauche es nicht unbedingt einen Arztbesuch. Erfolge dieser nur deshalb, um ein Arztzeugnis zu beschaffen, weil es vom Betrieb her verlangt werde, treibe das die Gesundheitskosten unnötig in die Höhe. «Da wünschte ich mir von Arbeitgeberseite her mehr Kulanz – und auch mehr Vertrauen den Mitarbeitenden gegenüber», sagt Danuser.

work-Tipp: Mails aus dem Krankenbett?

Sie haben ein Arztzeugnis und ­kurieren zu Hause die Grippe aus, trotzdem verlangt die Chefin oder der Chef von Ihnen, dass Sie Ihre Mails checken und geschäftliche Anrufe von zu Hause aus führen? Das ist nicht rechtens. Sie sind nicht verpflichtet, auf Mails oder geschäft­liche Anrufe zu reagieren, während Sie krank geschrieben sind. Was gilt, ist allein das Urteil des Arztes oder der Ärztin. Verweisen Sie ­Ihren Chef oder Ihre Chefin auf das Arztzeugnis und darauf, dass Ihnen Ruhe verschrieben worden sei.

Das Arztzeugnis muss über den Beginn, den Grad und die vor­aussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit informieren. Über die Diagnose darf das Arztzeugnis keine Auskunft geben. Diese fällt unter das Arztgeheimnis. Sie sind nicht verpflichtet, Ihre Chefin oder Ihren Chef über die Diagnose zu informieren.

Über die Diagnose darf ein Arztzeugnis keine Auskunft geben.

Wie lange darf ich zu ­Hause bleiben, wenn mein Kind krank ist?

Pro Krankheitsereignis darf sich ein Elternteil bis zu drei Tage zu Hause um das Kind kümmern, bei voller Lohnfortzahlung. Viele Gesamtarbeitsverträge sehen aber einen Betreuungsurlaub von fünf Tagen vor. Betriebe dürfen laut Arbeitsgesetz ein Arztzeugnis des Kindes verlangen. Auch hier gilt: Im Arztzeugnis darf keine Angabe über die Diagnose gemacht werden. Wenn ein Kind länger als drei Tage krank ist, müssen die Eltern eine Betreuung organisieren (siehe Text ganz unten). Handelt es sich um eine schwere Erkrankung oder einen schweren Unfall, haben die Eltern ein Anrecht auf einen Betreuungsurlaub von bis zu 14 Wochen – in diesem Fall haben sie statt des Lohns Taggelder aus der Erwerbsersatzordnung (EO) zugute. Dabei handelt es sich um 80 Prozent des versicherten Verdienstes. Der Betreuungsurlaub muss nicht am Stück bezogen werden, aber innerhalb von 18 Monaten (mehr zum Thema im work-Archiv).

Was ist, wenn der betreuende Elternteil krank wird?

Ist der Elternteil krank, der das Kind normalerweise betreut, darf der andere Elternteil die drei re­spektive fünf Tage Betreuungsurlaub beziehen und hat in dieser Zeit Anspruch auf den vollen Lohn. Diese arbeitsfreie Zeit muss nicht nachgearbeitet werden.

Darf ich zu Hause bleiben, um ein anderes erkranktes Fami­lienmitglied zu unterstützen?

Ist ein Familienmitglied oder die Partnerin beziehungsweise der Partner krank oder nach einem Unfall auf Betreuung angewiesen? Dann haben Sie das Anrecht auf drei bezahlte Urlaubstage pro Ereignis. Im Gegensatz zur Betreuung kranker Kinder gibt es in diesem Fall aber eine Beschränkung: Pro Jahr können höchstens zehn solcher Urlaubstage bezogen werden.


Kinderbetreuung Wer hilft im Notfall?

Ist Ihr Kind länger als drei Tage krank, sind Sie verpflichtet, eine Betreuung für das Kind zu organisieren. Doch was passiert, wenn der andere Elternteil nicht und auch sonst niemand einspringen kann?

HILFE VON AUSSEN. Für solche Situationen gibt es ­Organisationen, die Kinderbetreuung für Notfälle anbieten, zum Beispiel den Kinderbetreuungsdienst des Schweizerischen Roten Kreuzes. Da das SRK in Kantonalverbänden organisiert ist, variiert auch das Angebot von Kanton zu Kanton stark. Informieren Sie sich bei Ihrer Wohngemeinde über das Angebot. Für die Kosten der Betreuung müssen Sie selber aufkommen, wobei es hier Einschränkungen gibt: Arbeiten Sie zu einem Tieflohn, gilt es nicht als zumutbar, eine kostspielige Notfall-Nanny zu bezahlen, ­ausser Ihre Firma übernimmt die Kosten.

VORAUSSETZUNGEN. Es gilt ebenfalls nicht als zumutbar, ein jüngeres Kind in neuer Umgebung von einer unbekannten Person betreuen zu lassen. In diesem Fall kann laut Gesetz eine Arbeitsverhinderung (OR 324 a) vorliegen, die eine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers nach sich zieht. Sofern weitere Voraussetzungen erfüllt sind (z. B. spielt die Länge des Arbeitsverhältnisses eine Rolle), haben Sie dann Anspruch auf Arbeitsbefreiung einschliesslich Lohnfort­zahlung.

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