Zuerst verschwinden Betäubungsmittel, dann die Chefin, jetzt fehlen Arbeitsstunden: Pflegende des Altersheims in Steinach SG haben die Nase voll.
ALLES NUR FASSADE: Das neue Pflegeheim macht von aussen zwar einen schmucken Eindruck, doch hinter den Kulissen fehlt jeglicher Glanz. (Fotos: Keystone/ZVG)
Es sei «ein Ort zum Wohlfühlen», verspricht das Altersheim Gartenhof in Steinach SG auf seiner Website. Fotos des 2020 fertiggestellten Neubaus «mit herrlichem Blick auf den Bodensee» vermitteln ein gediegenes Bild.
«Alles nur Fassade», sagt Sandra Rossi*, die seit ein paar Jahren als Pflegerin im Gartenhof arbeitet: «Wir können hier keine Qualitätspflege leisten.» Dafür fehle schlicht die Zeit. In den vier Stockwerken des älteren Hauses Lärche seien 32 Bewohnerinnen und Bewohner untergebracht. Ab 16 Uhr müsse eine einzige Person zu allen schauen.
Besonders bedenklich: Fast immer, so Rossi, werde für diese Schicht nicht eine Fachperson mit Berufsausbildung eingeteilt, sondern eine SRK-Pflegehelferin. Das ist nicht erlaubt. Denn die SRK-Ausbildung umfasst gerade mal 120 Stunden Theorie und bis zu drei Wochen Praxis – total knapp sechs Wochen Vollzeitausbildung. Sie gelten deshalb nicht als Fachpersonal – anders als etwa ein Fachmann Gesundheit (3 Jahre Ausbildung) oder eine Pflegefachfrau (6 Jahre).
NICHT ZULÄSSIG
Um Sicherheit und Qualität in der Alterspflege zu garantieren, schreibt der Kanton St. Gallen vor: «Die Präsenz von Personal mit Fachausbildung ist während 24 Stunden im Hause gewährleistet.» Mehr noch: In der Abendschicht verteilen die SRK-Pflegehelfenden im Gartenhof auch Medikamente. Auch das ist nicht zulässig. In den Vorgaben des Kantons heisst es klipp und klar: «Richten und Abgeben von Arzneimitteln wird nur durch Fachpersonal ausgeführt.»
Fatime Zekijri vom Unia-Pflegeteam hat mit zahlreichen Mitarbeitenden des Gartenhofs gesprochen. Und erschrak ab dem, was sie hörte. Etwa, wie nachlässig mit dem Schmerz- und Betäubungsmittel Morphin umgegangen wurde. Es muss in einem abgeschlossenen Schrank aufbewahrt werden, und das Personal muss über den Einsatz genau Buch führen. Beides sei im Gartenhof nicht der Fall gewesen, so Zekijri. Einmal habe sogar eine halbvolle Morphin-Spritze im Medikamentenschrank gelegen: «Die müsste zurück in die Apotheke, zur Entsorgung. Das ist aber nicht passiert. Stattdessen war die Spritze irgendwann verschwunden.»
«Der Gemeindepräsident sagte zu uns: ‹Wem es nicht passt hier, kann gehen.›»
GEMEINDE SCHAUTE ZU LANGE ZU
Das Heim gehört der Gemeinde Steinach. Pflegende berichten gegenüber work von fast täglichen Fehlern bei Medikamenten und einer Heimleiterin, die ausrastete und handgreiflich wurde. Doch der Gemeinderat habe sich lange nicht um die Zustände im Gartenhof gekümmert. Angela Pfister*, auch sie seit mehreren Jahren Pflegerin im Gartenhof: «Er wurde erst tätig, als der Karren schon im Dreck war.»
Das war vor einem Jahr. Die Heimleiterin wurde krankgeschrieben, später musste sie ganz gehen. Ersetzt wurde sie durch ein Dreiergremium. An seiner Spitze: Gemeindepräsident Michael Aebisegger (parteilos).
Doch die Lage wurde nicht besser. Offene Stellen wurden mit Temporärkräften besetzt. Pflegerin Pfister: «Es war kein Miteinander mehr, das Team fiel richtig auseinander. Die Qualität der Pflege war miserabel.» Neo-Chef Aebisegger sei zudem autoritär aufgetreten. Einmal habe er die Mitarbeitenden einbestellt, um sie zu orientieren. «Als er merkte, dass wir unzufrieden waren, sagte er: ‹Wem es nicht passt hier, soll mir Bescheid geben. Dann räume ich eigenhändig den Spind der Person aus, und sie kann gehen.›»
ZIG STUNDEN GRATIS GEARBEITET
Die Pflegenden bemerkten zudem: Die Stundenabrechnungen stimmten nicht. Kurzfristige Dienstwechsel oder Überzeiten wurden oft nicht erfasst. Die Folge: unzählige Stunden Gratisarbeit, die bis heute nicht bezahlt wurden. Nun wandten sich mehrere Pflegende an die Unia. Fatime Zekijri trug alle Missstände zusammen und informierte den Kanton als Aufsichtsbehörde. Als dieser beim Heim vorstellig wurde, habe sich der Umgang mit Morphin und anderen Medikamenten allmählich verbessert, berichten Pflegende.
Aber das reiche bei weitem nicht, sagt Pflegerin Pfister. Die Stimmung sei nach wie vor im Keller, zwischen den Abteilungen herrsche Rivalität. Was ihr den Deckel lüpfte: Der neue Heimleiter, seit August im Amt, sagte kürzlich der Lokalzeitung «Felix», es sei gelungen, das Team zusammenzuschweissen. Sprach von einer «Kultur des Mitwirkens», in der sich «Mitarbeitende mit ihren Anregungen einbringen dürfen».
Das stimme überhaupt nicht, sagt Pfister. Der neue Leiter habe ihr nach einem Gespräch versprochen, etwas zu unternehmen, dann aber nichts gemacht. Sie sagt: «In dem Haus gibt es keine Wertschätzung. Das ist das Schlimmste!» Um sich endlich Gehör zu verschaffen, entschied sie sich, die Missstände publik zu machen.
VORSCHRIFTEN? ACH WAS!
Gegenüber work räumt Gemeindepräsident Aebisegger ein, der Gemeinderat habe «erst spät bemerkt, dass sich Mängel einschlichen». Mit dem neuen Leiter sei das Heim aber «auf einem guten Weg». Dass der alleinige Einsatz einer SRK-Pflegehilfe in der Spätschicht die kantonalen Vorschriften verletzt, wischt Aebisegger weg: Es stehe jederzeit eine Fachperson aus dem anderen Haus zur Verfügung. Zudem seien im Haus Lärche «rund 60 Prozent der Bewohnenden selbständig oder wenig pflegebedürftig». Er ignoriert, dass die Vorschrift ausdrücklich «Präsenz im Hause» verlangt und unabhängig vom Gesundheitszustand der Bewohnenden gilt.
Aebisegger behauptet, die Prüfung durch den Kanton habe zu «keinen Beanstandungen» geführt. Den Abschlussbericht will er aber nicht herausrücken. work weiss: Das zuständige Amt musste mehrmals Unterlagen und Informationen einfordern. Vom ersten Kontakt bis zum Abschluss dauerte es sechs Monate.
Ebenfalls abenteuerlich mutet Aebiseggers Aussage an, ihm seien «keine Fälle bekannt», in denen noch Arbeitsstunden zur Diskussion stünden. Unia-Frau Zekijri weiss dagegen von mindestens fünf Mitarbeitenden aus Pflege und Reinigung, die beim Heim ihre fehlenden Stunden geltend gemacht haben – bisher erfolglos.
Sandra Rossi ist mehr als nur enttäuscht: Sie alle hätten in diesen turbulenten Zeiten vollen Einsatz geleistet. «Und jetzt will das Heim nicht einmal die Stunden anerkennen, die wir gearbeitet haben?»
*Namen geändert
Guten Tag
Also ich habe genug lang im Gartenhof gearbeitet.
1. Medikamentenabgabe wurde vom Betrieb jederzeit geprüft und wurde genaust mit den SRK angeschaut und die Kompetenz freigegeben.
2. Mann ist nie alleine im Betrieb, da der Gartenhof zwei Häuser besitzt und man kann immer Hilfe anfordern. Es braucht keine Dipl. Für selbstständige Bewohner. (24h/tag sind mindestens 2 dipl im anderen Haus zur verfügung)
3. Morphinspritzen werden nicht eifach so in die Apotheke gebracht (lesen sie die BTM Rückgaben/Spritzen rückgabe) diese werden in Gelbe Abwurfboxen entsorgt und so zurück gegeben.
4.Die Heimleiterin vor ca. Einem Jahr, war sehr zuverlässig, sei jederzeit für uns erreichbar gewesen und wir konnten unsere Bedürfnisse mitteilen, es gab Tage an dene sie nich so gut zu sprechen war ( so wie jeder andere mensch auch).
5. Jeder Mensch ist selber für die Eintragung der Stunden verantwortlich, für das gab es immer einen Ordner wo die zeiten eigetragen werden konnten, und sonst kann man ja zur Gemeinde gehen, die die Löhne machen und die Zettel kontrollieren.
6. So wie jeder Mensch muss man in einem Betrieb erst ankommen, und auch sich einen Überblick verschaffen. Wenn man von einer neuen Heimleitung das gegenteil erwartet, kommt man nicht weit im leben.
PS: Aufgrund 3 Mitarbeiter, verliess ich den Betrieb mit schweren herzens, da diese nicht mit ehrlichen Karten spielten.
Bravo endlich ist das öffentlich geworden