Der Agrar-Händler Fenaco wächst und wächst. Trotzdem knausert er bei den Löhnen der Mitarbeitenden. Wer ist der Konzern hinter Landi, Volg und Co.? work bringt Licht ins Dunkle.
Bei Fenaco fehle der Wille, das Personal angemessen am guten Geschäftsgang zu beteiligen, schreibt die Unia nach den gescheiterten Lohnverhandlungen. Viele der 11 500 Mitarbeitenden müssen auch dieses Jahr Reallohnverluste in Kauf nehmen. Das betrifft die Verkäuferinnen in den Volg-Läden, Landis und Tankstellenshops, aber auch Mitarbeitende in über 100 weiteren Fenaco-Betrieben. Denn die Fenaco funktioniert heute als Hauptversorgerin und Grossabnehmerin der Schweizer Landwirtschaft. Kilian Baumann, Kleinbauer aus dem Berner Seeland und Nationalrat der Grünen, sagt: «Als Bauer kommt man um die Fenaco fast nicht herum, die Stellung ist vergleichbar mit Coop und Migros im Detailhandel.» So kauft ein Schweizer Landwirt seinen Dünger in der Regel bei Landor, das Saatgut bei Semag, und die Pestizide besorgt er sich bei Agroline. Und den Traktor bei Serco. Die UFA liefert das Kraftfutter für Schweine und Rinder, der Verkauf und Transport der Tiere läuft über die Anicom, welche die Fracht zu einem Schlachtbetrieb von Suttero bringt. Bauern und Büezerinnen auf dem Land kaufen ihre Bratwurst und den Most gerne im Volg oder bei der Agrola-Tankstelle ein. Hinter diesem Kreislauf und insgesamt über hundert Firmen und Marken steckt die Fenaco.
Der Fenaco-Konzern wurde vor 30 Jahren gegründet. Damals schlossen sich sechs landwirtschaftliche Genossenschaftsverbände und ihre Landi-Mitglieder in der Deutschschweiz und der Romandie zusammen. Die Landis waren genossenschaftlich organisiert und Ende des 19. Jahrhunderts als Mittel zur bäuerlichen Selbsthilfe ins Leben gerufen worden. 1993 war nicht nur das Gründungsjahr der Fenaco, es war auch die Geburtsstunde der Direktzahlungen des Bundes für die Schweizer Landwirtschaft. Seither ist die Anzahl der Bauernbetriebe um die Hälfte geschrumpft: Die knapp 50 000 Bauernhöfe, die es in der Schweiz heute noch gibt, empfangen jährliche Direktzahlungen in der Höhe von 2,8 Milliarden Franken. Das macht pro Betrieb im Durchschnitt 60 000 Franken. Vier von fünf Bauernbetrieben in der Schweiz sind auch Mitglied bei der Fenaco. Ein grosser Teil der Direktzahlungen fliesst früher oder später zu den Agrar-Tochterunternehmen der Fenaco. Diese machten 2022 einen Umsatz von 2,24 Milliarden Franken.
ÖKOLOGISCHE INTENSIVIERUNG
«Fenaco lebt vom Pestizid-, Dünger- und Futtermittelverkauf in der Schweiz», sagt Bauer und Politiker Baumann. «Sie wollen dieses profitable Geschäft möglichst lange schützen, auch wenn inzwischen klar ist, dass es nicht kompatibel mit Biodiversität und Klimaschutz ist.» Der Import von Rohstoffen für die Futtermittel, zum Beispiel Soja aus Brasilien, gilt als problematisch, weil damit grosse Landflächen beansprucht und Regenwälder abgeholzt werden. Und auch in der Schweiz verursacht die intensive Landwirtschaft Schäden. «Trotz milliardenschweren Direktzahlungen schwindet die biologische Vielfalt», schreibt etwa Greenpeace in ihrem Bericht «Der Futtermittel-Schwindel». Die importierten Rohstoffe für Futtermittel haben sich in den letzten 20 Jahren verdoppelt, und knapp die Hälfte dieser Importe kauft die Fenaco. Die Fenaco entgegnet auf ökologische Vorwürfe, dass das Unternehmen vermehrt in alternativen Pflanzenschutz, ökologische Kreisläufe und erneuerbare Energien investiere. In diesem Zusammenhang wird bei Fenaco von «ökologischer Intensivierung» gesprochen. Seit Anfang Jahr verkauft der Konzern auch hauseigene Klimazertifikate.
KRITIK AM RIESEN
Bauer Baumann kritisiert aber nicht nur die intensive Landwirtschaft, sondern auch die Grösse und Macht der Fenaco: «Fenaco ist ein Riese und hat in verschiedenen Bereichen praktisch eine Monopolstellung, zum Beispiel beim Dünger, bei Saatgut, Tierhandel und Futtermitteln.» Auch manche genossenschaftlichen Mitglieder der Fenaco sind nicht zufrieden mit den Vorgaben der Fenaco. So entschied sich beispielsweise die Zuger Landi Hünenberg, per Ende Jahr aus der Fenaco auszutreten. Die Landi Hünenberg sei dank dem Austritt wieder freier bei der Gestaltung des Sortiments und könne zum Beispiel Futtermittel zu günstigeren Konditionen einkaufen.
Die Fenaco bestreitet, dass es eine übermässige Abhängigkeit der Schweizer Landwirte gebe. «Die Schweizer Landwirtinnen und Landwirte sind freie Unternehmerinnen und Unternehmer, die selbst entscheiden, bei wem sie ihre Produktionsmittel kaufen», schreibt das Unternehmen auf Anfrage. Zum Ausstieg der Landi Hünenberg gibt sich die Fenaco in der Zeitung «Schweizer Bauer» wortkarg: «Zur guten Diskussionskultur gehört, wenn es ab und zu knirscht im Gebälk.»
KEIN KRACH IN DER BAUERNSTUBE
Damit es in der Bauernstube nur knirscht und nicht kracht, ist Fenaco auch im Bundeshaus präsent. In der Wirtschaftskommission, wo die Gesetze der Agrarpolitik gemacht werden, sitzen seit Jahrzehnten Verwaltungsratsmitglieder der Fenaco. Heute ist dies der gelernte Landwirt und Anwalt Leo Müller (Mitte). Auch Bundesrat Guy Parmelin war lange Jahre Verwaltungsrat der Fenaco, ebenso hat Ex-Bundesrat Ueli Maurer, damals Zürcher SVP-Nationalrat, die Interessen des Konzerns im Parlament vertreten.
«Die politische Macht der Agrarbranche wurde in den letzten Jahren stetig ausgebaut», sagt Bauer Baumann. Mit den letzten Wahlen ist diese Macht tendenziell noch grösser geworden: Die Zahl der Bäuerinnen und Bauern im Parlament stieg von 12 auf 20 und die der bauernnahen Abgeordneten von 20 auf 30. Der Schweizerische Bauernverband (SBV) mit seinem Präsidenten Markus Ritter (Mitte) wird damit noch einflussreicher. Das sind gute Neuigkeiten für die Fenaco, die nicht nur eine personelle, sondern auch eine organisatorische Nähe zum SBV hat. Der Verwaltungsratspräsident der Fenaco ist zugleich im Vorstand des SBV, und die Fenaco ist umgekehrt Mitglied beim SBV.
Der Bauernverband und die Fenaco führen zusammen auch die «Stiftung für eine nachhaltige Ernährung durch die schweizerische Landwirtschaft». 2022 hat Fenaco die Stiftung mit einer einmaligen Spende von 10 Millionen Franken gefüttert und sich damit zwei Sitze im Stiftungsrat gesichert. Die Stiftung finanziert Projekte, die Stadt und Land näher zusammenbringen sollen. So etwa die «farming days» im Luzerner Verkehrshaus. Unter dem Titel «Von Heugabeln und Drohnen: Landwirtschaft heute» will Fenaco Kinder und ihre Eltern für die Schweizer Landwirtschaft und ihre Produkte begeistern. Damit das Fenaco-Haus noch viele Jahrzehnte stabil bleibt.