Krisen in Italien: Eine ziemlich brisante Mischung
«Meloni, das Volk hat Hunger»

Die Regierung von Giorgia ­Meloni will die Gewerk­schaften in die Knie zwingen. Doch ihre Basis drängt zum Streik. Denn die Situation vieler Menschen wird immer prekärer.

MELONI MARSCHIERT MASKIERT: Italiens Regierungschefin, eine alte Europafeindin, hat das Wohlwollen aus Brüssel, weil sie der EU hilft, sich gegen aussen abzuschotten. (Foto: Keystone)

Eine gute Woche vor Weihnachten geht es in Italien hart auf hart: Für den 15. Dezember rufen die Gewerkschaften CGIL und UIL zum Landesstreik im öffentlichen Verkehr. Italien könnte stillstehen. Die Union der Basisgewerkschaften, USB, mobilisiert sogar für einen Generalstreik im ganzen Service public und darüber hinaus. Ihr Slogan: «Meloni, das Volk hat Hunger.»

Die Gewerkschaften handeln in Notwehr: Sie versuchen, der rechtsextremen Regierungschefin Giorgia Meloni in den Arm zu fallen. Meloni hat gleich bei ihrem Machtantritt im Oktober 2022 den Arbeitenden, Prekären und Armen den Kampf angesagt. Den Flüchtlingen und Migrantinnen sowieso.

Seither haben Italiens Löhne real acht Prozent an Wert verloren. Im Juli 2023 hat Meloni 169 000 Familien per SMS (!) das ohnehin karge Bürgergeld gestrichen – die Betroffenen fielen ins Nichts, verhöhnt als «divanisti», also jene, die faul auf dem Sofa rumlungern. Bei ­Millionen Arbeitslosen, die gerne arbeiten würden, ist das soziale Gewalt. Bereits leben mehr als ein Fünftel der Italienerinnen und Italiener unter der Armutsgrenze, sagt das Statistikbüro der EU.

MELONIS ATTACKE AUF DIE GEWERKSCHAFTEN

Und nun hat Meloni zum nächsten Doppelschlag ausgeholt. Ein Sparhaushalt für 2024 streicht die Renten zusammen, mindert zahlreiche Sozialleistungen und schleift weitere Teile des öffentlichen Dienstes. Eine neue ­Privatisierungswelle rollt an. Gleichzeitig will sie die Gewerkschaften zu einer entscheidenden Auseinandersetzung zwingen, um sie zu brechen.

Im Parlament haben Melonis Rechtsex­treme eine sichere Mehrheit, der Widerstand könnte allenfalls von den Organisationen der Arbeitenden kommen. Die haben sich zu einer Art Generalstreik in Raten entschieden. Doch Melonis Vize, der Neofaschist Matteo Salvini, provoziert sie seit Monaten mit Attacken auf das Streikrecht. So zwang er sie mit der Drohung, die Arbeitenden per Gesetz und Polizei zum Dienst zu verpflichten, die Novemberstreiks auf vier Stunden zu begrenzen. Nun hat er dieselbe Ansage für den 15. Dezember gemacht. Ob CGIL und UIL kuschen, ist bei Redaktionsschluss (13. 12.) noch unklar, die USB will die Konfrontation mit Salvini wagen. Sie kündigte an: «Wir streiken durch.»

Für die Gewerkschaften ist die Lage heikel. Einerseits fehlt ihnen eine starke politische Unterstützung. Andererseits treibt die Basis sie vor sich her, mit wilden Lohnstreiks, Arbeitsverweigerungen nach Berufsunfällen und Fabrikbesetzungen bei Entlassungen.

SCHMUSEKURS MIT EUROPA

Wer in Italien auf die Unterstützung Europas im Kampf gegen die erste rechtsextreme Regierung in einem EU-Kernland gehofft hatte, sieht sich getäuscht. Brüssel schaut mit Wohlwollen nach Rom. Dass Melonis Regierung systematisch Grundrechte wie das Streikrecht oder die Meinungsfreiheit aushebelt und jetzt auch mit einer antidemokratischen Verfassungsreform ihre Macht dauerhaft sichern will, wird geflissentlich übersehen. Ebenso die neue Mussolini-Verherrlichung, die ultrana­tionalistischen Schulprogramme, die Säuberung der Medien und der kulturellen Institutionen, die wachsende Repression jeder Opposition.

Meloni marschiert maskiert. Klaglos hat die alte Europafeindin die deutschen Spardiktate akzeptiert, enthusiastisch folgt sie dem Franzosen Emmanuel Macron in einen verschärften Neoliberalismus. Derweil spaziert sie mit der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Küsschen hier, Küsschen da, über die Flüchtlingsinsel Lampedusa, denn die rassistische Römer Regierung ist heute zur Bündnispartnerin geworden, wenn Europa sich abschottet und mit dem Menschenrecht auf Asyl bricht.

Eine ziemlich brisante Mischung: zornige Gewerkschaften, eine Regierung, die den Showdown sucht, und eine italienische Gesellschaft im Aufruhr, die zunehmend in Widerstand zum rechtsextremen Umbau des Landes und dem Machismo geht.

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