Ein Lohn zum Leben in Zürich und Winterthur
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Am 18. Juni sagten die Stimmberechtigten von Zürich und Winterthur Ja zu einem Mindestlohn. Für 20 000 Menschen in diesen Städten bedeutet das etwas kleinere Sorgen. Eine von ihnen ist Elena Guarin. Sie hat vier Jobs, schläft vier Stunden und isst nur zweimal pro Tag. Trotzdem reicht das Geld manchmal nicht. Mit dem neuen Mindestlohn könnte sie endlich nach Spanien fahren und ihre beiden Söhne besuchen. Könnte. Denn eine Hungerlohnkoalition, bestehend aus rechten Politikerinnen und Politikern und Arbeitgebern, hat gegen die klaren Volksentscheide Rekurse eingereicht und verzögert damit die Verbesserung der Lebensbedingungen von Menschen wie Elena Guarin. (asz)
Karin Keller-Sutter: Die Umverteilerin
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FDP-Politikerin Karin Keller-Sutter war sozial-, wirtschafts- und finanzpolitisch eine parlamentarische Problembärin. Seit vier Jahren problembärt sie im Bundesrat. Und wie: Mal kurz 259 Milliarden Franken Volksvermögen aufs Spiel setzen für die Rettung einer Grossbank? Kein Problem! Neues Steuerschlupfloch für Grossverdienende in der dritten Säule graben? Klar doch! Schenken wir ihnen die 500 Millionen. Wenn der Europäische Gerichtshof die Schweiz dazu verurteilt, Witwen und Witwer gleichzubehandeln? Ha, dann behandeln wir halt die Witwen künftig so lausig wie bisher die Witwer und nehmen ihnen 880 Millionen Franken weg. Und schon sind wieder ein paar Hundert Millionen von unten nach oben umverteilt. (cs)
Respekt, mehr Lohn, mehr Zeit
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Die Pharmaassistentin Pamela Silva Barrientos arbeitet seit ihrem Lehrabschluss in einer Apotheke in Lausanne. work erzählt sie von den Problemen in ihrem Beruf als Pharmaassistentin: Es fehlt an Respekt, Wertschätzung und einem angemessenen Lohn. Denn: «Wir verkaufen Medis, keine Täfeli!» Barrientos ist aktives Unia-Mitglied und motivierte ihre Berufskolleginen, am Frauenstreik teilzunehmen. Sie fordern gemeinsam bessere Arbeitsbedingungen für ihre Branche. Die gleichen Forderungen hatten auch Reinigerinnen in Luzern, Verkäuferinnen in Basel und Pflegerinnen in Bern. Am Frauenstreik am 14. Juni 2023 gingen schweizweit über 300 000 Menschen auf die Strassen. (dak)
Sonja Lüthi: Die Spitex-Schikaneuse
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Superlative soll man mit Bedacht einsetzen. Dieser war gerechtfertigt: «Die schlimmste Spitex der Schweiz», titelte work im Juni. Im Betrieb der Stadt St. Gallen jagt während zweieinhalb Jahren ein Debakel das andere: ein Beinahe-Konkurs, eine Chefin «wie eine Bulldogge», schikanierte Pflegende, falsche Abrechnungen. Schon 2021 kündigen ganze 87 Mitarbeitende. Die verantwortliche Stadträtin Sonja Lüthi (GLP) schaut zu, redet schön, sieht die Schuld bei anderen. Einer Gruppe Pflegender, die um ein Gespräch bitten, antwortet Lüthi: «Die Stadt wird sich nicht einmischen.» Im Mai 2023 tritt der Verwaltungsrat zurück. Lüthi wechselt die ganze Führung aus und räumt heute ein: «Im Rückblick wäre ich wohl besser früher eingeschritten.» (che)
Für einen Zacken mehr Lohn bei Toblerone
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Die Arbeiterinnen und Arbeiter der Toblerone-Fabrik des Mondelez-Konzerns in Bern forderten sechs Prozent mehr Lohn. Für alle! Allen voran Peko-Mitglied und Elektriker der Haustechnik Urs Brunner. Die Mitarbeitenden wurden aber vom Milliardenkonzern Mondelez mit 1,8 Prozent Lohnerhöhung abgespeist. Das ist viel zu wenig – und trotzdem ein kleiner Erfolg. Denn zu Beginn gab es von Mondelez überhaupt kein Angebot. Erst auf Initiative der Belegschaft und der Unia wurde ein erstes Angebot unterbreitet. Und generelle Lohnerhöhungen haben in der Toblerone-Fabrik extremen Seltenheitswert. Bis auf eine Ausnahme im Jahr 2022 sind für die letzten 15 Jahre gar keine bekannt. (asz)
René Schweizer: Der Appetit-Verderber
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Würmer in der Nussgipfelmasse, Schimmel in der Backstube, Mäusekot im Lager: Die Berichte und Fotos aus der Zürcher Oberländer Bäckerei-Kette Voland haben so manchem Gourmet den Appetit verdorben. Ans Licht gebracht haben die Zustände rund 20 (Ex-)Angestellte. Sie berichteten zudem von Überarbeitung, fehlender Lehrlingsbetreuung und der Verpflichtung, Wahlkampf zu machen – für Voland-Inhaber René Schweizer und seine SVP. Geholfen hat es nicht. Bei den Nationalratswahlen im Herbst blieb Schweizer chancenlos. Dafür amtiert er noch immer als Vizepräsident des Zürcher Bäckermeisterverbands, als Berufsschullehrer und als Arbeitsrichter. (jok)
Rodolphe Saadé: Der Knausrige
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Die Ceva-Büezerinnen in Neuendorf SO nagen am Hungertuch und chrampfen unter Hochdruck. 41 Zalando-Retouren bearbeiten sie pro Stunde. Dafür erhalten sie keine 3500 Franken im Monat. Einen Dreizehnten hatten sie bisher nicht, ebenso wenig eine Krankentaggeldversicherung. Ceva-Besitzer Rodolphe Saadé (53) scheint das nicht zu kümmern. Als Erbe der drittgrössten Containerschiff-Reederei CMA CGM und Herrscher über ein internationales Firmenimperium schwimmt er im Geld. Und zwar mehr denn je. Corona jagte die Frachtpreise in die Höhe und damit auch den Gewinn der Reedereien. Saadés Vermögen explodierte – von 6 Milliarden Euro (2021) auf aktuell über 40 Milliarden. (jok)
Vögele-Verkäuferinnen bekommen ihr Geld
Fotos: Severin Nowacki
2018 liess Modegigant OVS das Traditionshaus Vögele konkursgehen. 1180 Mitarbeitende verloren die Stelle. Und im Chaos der letzten Wochen ging vieles unter. Auch bei Zorana Jovanovic (links im Bild). Ihr Lohnanspruch war deutlich höher als die Zahlungen, die sie bereits bekommen hatte. Der Unia-Rechtsdienst half ihr, die Forderung einzugeben. Und dann hiess es warten. Fast fünf Jahre lang. Ende Januar dieses Jahres dann endlich die erlösende Nachricht: Die Konkursmasse ist gross genug, dass alle Forderungen von Mitarbeitenden zu 100 Prozent erfüllt werden. Jovanovic bekommt mehrere Tausend Franken. Auch Susanna Isler (rechts) hat sich gewehrt und aus dem Konkurs gut 600 Franken erhalten. (asz)
Martullo-Blocher: Die Verschwiegene
Foto: Sabine Wunderlin / Blick
Der Blocher-Clan besitzt zusammen 14 bis 15 Milliarden Franken. Die Blocher-Schwestern Magdalena, Rahel und Miriam haben letztes Jahr 332 Millionen Franken Dividenden kassiert. Das ist mehr als die gesamten Personalkosten des Konzerns. Wessen Interessen Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher im Parlament vertritt, ist daher klar: jene der Reichen und Superreichen, aber ganz sicher nicht jene der Büezerinnen und Büezer ihrer Ems-Chemie. Diese lässt sie lieber länger chrampfen, beendet stillschweigend die Lohnverhandlungen und verpasst der Gewerkschaft Syna einen Maulkorb. Auch über die aktuellen Ems-Löhne schweigt sich der Konzern aus. Ungewohnt viel Stille von der prominentesten Vertreterin der Polteri-Partei SVP. (asz)
Endlich Lohnerhöhung für Coop-Verkäuferinnen
Foto: Florian Bachmann
Es ist die höchste Lohnerhöhung seit Jahren: Coop-Verkäuferinnen und -Verkäufer erhalten den Teuerungsausgleich, endlich eine Reallohnerhöhung und höhere Mindestlöhne. Für Ina Auf der Maur (43), Kassierin im Coop (links), bedeutet das 140 Franken mehr Lohn. Damit könne sie etwas «dureschnuufe». Und Coop-Verkäuferin Esther Nervi (55) ist erleichtert. Sie sass bei den Lohnverhandlungen in der Begleitgruppe. Doch die tiefen Löhne im Detailhandel sind für sie nach wie vor eine Frechheit. Darum sagt sie: «Die 140 Franken sind ein guter Anfang. Nächstes Jahr müssen wir dafür sorgen, dass die Löhne mindestens wieder um so viel steigen. Dann kommt es langsam gut.» (asz)
Plattenleger wehrt sich gegen Pleitegeier-Chef
Foto: Florian Bachmann
Der Büezer Albert Japara (52) arbeitete fünf Jahre lang bei seinem Abzockerchef als Plattenleger. Denn dieser ging während der Zeit mit mindestens vier Firmen konkurs. Und zahlte unvollständige Löhne. Auch bei der AHV und der Pensionskasse hatten die Büezer Lücken. Aus seinen Fehlern lernte der Chef aber nicht: mit jeder neu gegründeten Firma stelle er Japara und seine Kollegen, die Mehrheit Büezer aus Moldawien, wieder an. Gegen diese Abzockerei wehrte sich Japara mit Hilfe des Unia-Rechtsdienstes. Mit Erfolg: Der Familienvater erhielt die geschuldeten 20 000 Franken. Und arbeitet nicht mehr für seinen Abzockerchef. (dak)
Casimir Platzer: Der Wegschauer
Foto: Keystone
Frauen im Gastgewerbe werden angebaggert, angefasst und angespuckt. Von respektlosen Gästen und übergriffigen Kollegen. Verständnislose Vorgesetzte schauen weg. Wie ihr Verband Gastrosuisse unter Präsident Casimir Platzer. Dieser reagierte auf die Meldung von explodierenden Zahlen bei den Beratungsstellen für Opfer von sexualisierter Gewalt so: «Im Bereich Gastronomie und Hotellerie sind uns keine Fälle bekannt. Es drängte sich auch kein Handlungsbedarf auf.» work lieferte dann elf mutige Frauen nach, die von ihren Erlebnissen berichteten. Ach ja: Die Branche leidet wie kaum eine andere unter Fachkräftemangel. Die Leute laufen scharenweise davon. Der Verband rätselt scheint’s noch über die Ursachen. (cs)
Bau-Frauen: «Hey Mann, das können wir auch!»
Fotos: Matthias Luggen
Rashel Werlen (35), Fabienne Binggeli (31) und Delia Dällenbach (25 / v.l.) haben alle etwas gemeinsam: sie arbeiten als Frauen auf dem Bau. Beim Pizza-Znacht mit work packen die Büezerinnen über Probleme und Sexismus aus. Die Dreifach-Mama und Malerin Werlen kritisiert stark den fehlenden Mutterschutz auf dem Bau. Die Zimmerin in Ausbildung Dällenbach muss immer wieder erklären, dass sie auch als Frau schwere Sachen tragen kann. Und Malerin Binggeli hat genug vom Macho-Gehabe und fordert endlich genügend WC für Frauen auf den Baustellen. Am Stammtisch wird klar: «Hey, Mann, das können wir auch!» Damit mehr Frauen auf dem Bau arbeiten, muss ein Ruck durch die Branche gehen. (dak)
Henrique Schneider: Der abgesägte Direktor
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Es war die peinlichste Darbietung des Gewerbeverbands (SGV) seit langem: Im Januar wählten die Delegierten den ultraliberalen Rechtsaussen Henrique Schneider zum neuen Direktor. Dann grätschte die «NZZ am Sonntag» in die Parade und enttarnte den Gewählten zuerst als Titelschwindler und Plagiator – der angebliche «Professor» habe «systematisch abgeschrieben» –, dann als Ex-Geheimdienstler. Nach langem Hin und Her wurde die Wahl annulliert. Als stv. Direktor durfte er aber bleiben. Jetzt schreibt der Abgesägte wieder vermehrt für dubiose Blogs. Kürzlich etwa kritisierte er den argentinischen Präsidenten Javier Milei, notabene ein Anarchokapitalist, als zu brav. Aber das Land sei «halt gerne ein Drecksloch». (jok)
Beherzter Kampf gegen den Irrsinn in St. Gallen
Foto: Stephan Bösch
Spitäler und Heime in der ganzen Schweiz sind am Limit: Sie suchen verzweifelt nach Pflegekräften. In der ganzen Schweiz? Nein! Ein grosses Spital in der Ostschweiz will Stellen abbauen. Und zwar ganze 440. Wie kann das sein? Das fragen sich am Kantonsspital St. Gallen auch Stationsleiterin Nathalie Frey (32, rechts) und ihre Kollegin Sina Auer (26). Im work stellen sie klar: «Wir brauchen mehr Leute, nicht weniger!» Ein Abbau hätte dramatische Folgen, etwa auf die Körperpflege im Spital. Die Mitarbeitenden organisieren Proteste und eine Demo, an der 3000 Menschen teilnehmen. Doppelt so viele fordern mit einer Petition den Kantonsrat auf, die Sache noch einmal zu überdenken. Damit die Gallier am Schluss nicht sagen: «Die spinnen, die St. Galler!» (che)
Armin Häfliger: Der Daru-Diktator
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Dieser Chef macht seine eigenen Gesetze: In der Security-Firma Daru-Wache duldet Armin Häfliger keinen Widerspruch. Egal, ob Lohnzahlungen (rechtswidrig), Sicherheitsschuhe (alle 10 000 Arbeitsstunden ein neues Paar), Trinkwasser für die Mitarbeitenden (njet) oder die Anschaffung von Putzlappen (ist das wirklich nötig?): Nur Häfliger himself sagt, wo’s langgeht. Und er sagt es wortgewaltig: Wenn er sich in der Betriebszeitschrift erklärt oder auf der Plattform Kununu über Mitarbeitende herzieht, dann meist über mehrere Seiten und immer von oben herab. Dafür nicht immer wahrheitsgetreu: Im März behauptete er, die Unia habe einer Verschlechterung der Daru-Spesen zugestimmt – was sich als Fake News herausstellte. (che)