Marius Käch war Maurer in Zürich und ist jetzt Student in Hanoi.
Gut ein Jahr ist’s nun her, da haben wir die Deckenschalung enteist, die Wandschalungen beheizt und gehofft, dass man bloss nicht aufs Toitoi muss. Ja, der Winter auf dem Bau ist alles andere als angenehm. Zu den frühen Arbeitsstunden ist es noch dunkel, bei Frost dauern die einfachsten Arbeiten gefühlt dreimal so lange, und mit Eis überall wird’s schliesslich richtig gefährlich.
Doch mit dem Advent hat das Ganze auch eine äusserst schöne Seite. Alle Kumpels zählen gemeinsam die Tage, Stunden und Minuten bis Weihnachten. Denn dann können endlich die im Sommer angehäuften Überstunden kompensiert werden – zu Hause mit der Familie.
EISKALTE WUNSCHLISTE. Und auf jeden harten Winter folgt ein Frühling. Die Tage werden länger, die Temperaturen steigen, und mit frischer Kraft macht man sich wieder an die Arbeit.
Geht es aber nach den Baumeistern, soll kein Frühling kommen. In ihrer Vorstellung bleibt es für die Bauleute das ganze Jahr über frostig. Trotz der guten Lage in der Bauwirtschaft, trotz dem katastrophalen Fachkräftemangel und trotz der Inflation stellen sich die Bosse quer zu branchenweiten Lohnerhöhungen und besseren Arbeitsbedingungen. Schauen wir ihre eiskalte Wunschliste für Weihnachten an: 12-Stunden-Arbeitstage und eine Zukunft ohne Arbeitszeitkalender. Dann ist finito mit der Familienzeit an Weihnachten und erst recht im Rest des Jahres.
GEMEINSAM KÄMPFEN. Dieser Winter, den die Baumeister wollen, der geht nicht vorüber. Da friert einem höchstens der Allerwerteste ab. Wenn wir wollen, dass der Frühling wieder auf den Bau kommt, müssen wir selber heizen, denn für uns tut’s keiner. Wir müssen ein Feuer entfachen im Herzen von jedem Bauarbeiter und jeder Bauarbeiterin, damit alle mitkämpfen gegen den ewigen Winter. Erst dann werden wir bessere Bedingungen haben beim Schaffen.
Zum Heizen muss man aber dort sein, wo es Feuer braucht. Und ich sitze hier im sonnigen Hanoi in der Universität. Wenn also der Frost der Bauleute enden soll, muss diese Zeilen künftig jemand anderes schreiben. Jemand, der oder die selber im Winter festsitzt. Jemand mit Feuer im Herzen und mit zünftiger Heizlaune.
Für euch alle wünsche ich eine frohe Weihnacht mit der Familie. Auf einen baldigen Frühling!