Arbeiten auch an Heiligabend: Das sagen die Verkäuferinnen
«Das ist einfach total bireweich!»

Weil Heiligabend auf ­einen Sonntag fällt, ­haben dieses Jahr ­viele ­Verkäuferinnen und Verkäufer frei. Doch im Glattzentrum nicht: am 24. Dezember ist dort Sonntagsverkauf. work hat sich im Shopping­center umgehört.

FALSCHE FASSADE: Das Shoppingcenter Glatt will mit seinem Plastik-Weihnachtsbaum die besinnliche Zeit propagieren, gönnt den Verkäuferinnen und Verkäufern aber auch am 24. Dezember keinen freien Sonntag.  (Foto: zvg)

 

 

An Weihnachten drei Tage hintereinander frei: Davon kann meist nur träumen, wer im Detailhandel arbeitet. Doch dieses Jahr klappt es für die meisten. Denn der 24. Dezember ist ein Sonntag, danach folgen die beiden Weihnachtstage. Drei Tage Zeit, um nach der anstrengenden Vorweihnachtszeit etwas herunterzufahren. Immerhin.

Aber ausgerechnet das umsatzstärkste Shoppingcenter der Schweiz, das Glatt in Wallisellen bei Zürich, hat am Sonntag, 24. Dezember, offen. Und das, obwohl die Mitarbeitenden schon im Dezember und Ende November ganze drei Mal an einem Sonntag arbeiten mussten, statt sich zu erholen. Gefragt wurden sie nicht.

KEINE FREUDE

work hat das nachgeholt, zumindest bei einigen. Der Shoppingtempel ist mit Plastik-Weihnachtsbaum, Tausenden Lämpchen und einem riesigen Origami-Mobile dekoriert. Im Swatch-Laden im Erdgeschoss herrscht keine Freude ob dem Heiligabend-Verkauf. «Das müsste wirklich nicht sein», sagt eine Verkäuferin. «Der 24. Dezember ist für die Familie!» Zwar hat sie dann frei – dank Teammitgliedern, die bereit waren, diesen Dienst zu übernehmen. Aber diese Sonntagsverkäufe, die seien völlig unnötig. Ihre jüngere Kollegin nickt und sagt, der Kanton Zürich sei jetzt sogar für zwölf Sonntagsverkäufe pro Jahr: «Das darf nicht durchkommen!»

Im grellgelben Lolipop-Laden ist gerade die Chefin vor Ort. Die Frau in den Dreissigern, Tattoos am Arm und herzliches Lachen, sagt: «Alle im Verkauf haben sich extrem gefreut auf drei freie Tage am Stück.» Dass das Glattzentrum nun öffnet, dafür hat sie wenig Verständnis.

GLÜCKLICH, WER NICHT MUSS

Die junge Verkäuferin im Modeladen Blue Tomato strahlt dagegen: Sie hat freibekommen am 24. Im Verkauf sei das halt so, dass es im Dezember sehr viel zu tun gebe, sagt sie. «Dafür können wir im Januar und Februar dann chillen.»

Andere sagen, es mache ihnen nichts aus, an Heiligabend zu arbeiten. Die junge Verkäuferin im H & M meint, sie sei eh nicht der Weihnachtstyp. Auch die Frau Ende 30 bei der Schoggi­kette Läderach hat nichts dagegen, am 24. Dezember zu arbeiten. Lieber dafür mal einen Samstag frei, findet sie. Die ultrafromme Besitzerfamilie Läderach (u. a. beteiligt an einer Privatschule, die bis in jüngere Zeit Prügelstrafen durchführte) scheint kein Problem damit zu haben, ihre Mitarbeitenden an Christi Geburt zur Arbeit zu schicken.

Auch die Aldi-Verkäuferin und zwei Migros-Mitarbeitende zucken nur die Schultern. Für den jungen Mann mit modischem Bart, der gerade die Rollschinkli stapelt, spielt das keine Rolle. Eine jüngere Kollegin lächelt dagegen scheu und möchte sich zu dem Thema lieber nicht äussern. Und die junge Frau am Blumenstand zwei Stockwerke höher sagt leise, dazu habe sie «keine grosse Meinung». Hat sie Angst vor dem Journalisten? Oder davor, dass ihr Chef erfährt, was sie denkt?

KLARTEXT AM KIOSK

Gerne Auskunft gibt dagegen die ältere Verkäuferin, die im Lego-Shop die Kundschaft empfängt. «Es ist jetzt, wie es ist», sagt sie ohne Begeisterung. Selber gehe sie extra nie am Sonntag einkaufen. Wenn sie all die Leute sehe, die jeweils am Sonntag durchs Glatt pilgern, «dann frage ich mich manchmal schon: Habt ihr eigentlich nichts Besseres zu tun?»

Gleich neben dem Ausgang ordnet die Kioskfrau die Zeitschriften. Angesprochen auf den Heiligabend, schweigt sie zuerst. Und sagt dann mit Nachdruck: «Ganz ehrlich? Das ist einfach total bireweich.» Sie arbeite seit über 20 Jahren im Verkauf. ­Damals hätten alle Läden am Samstag um 16 Uhr geschlossen, nicht wie heute im Kanton Zürich erst um 19 oder 20 Uhr. Und das habe auch funktioniert. An Heiligabend würde sie den Leuten am liebsten zurufen: «Ihr habt das ganze Jahr Zeit zum Shoppen. Könnt ihr nicht gopfertelli am 24. Dezember bei der Familie sein?»

Weihnachtsverkauf: ­Keine stille Nacht

Sonntagsverkauf an Heiligabend – neben dem Glattzentrum hat auch das Fashion Outlet in Landquart GR dafür eine Bewilligung erhalten. ­Arbeiten muss auch das Personal in Läden, die jeden Sonntag offen ­haben. Und das sind viele: etwa in Bahnhöfen, an Tankstellen oder in Tourismus­orten.

VORARBEITEN. Andernorts müssen sich die Mitarbeitenden die «lange» Pause von drei Tagen vorher mit Mehrarbeit verdienen: Am Samstag, 23. Dezember, lässt etwa Coop mehrere seiner Einkaufszentren bis 21 Uhr offen, den Letzipark in Zürich gar bis 22 Uhr. Auch Orell Füssli in Zürich und Globus in St. Gallen verlängern dann die ­Öffungszeiten um zwei Stunden bis 20 Uhr. In Zürich haben die Globus-Mitarbeitenden sogar an den zwei ­Tagen vor Heiligabend erst um 21 Uhr Feierabend.

GESCHLOSSEN. Konsequent ist da­gegen Lidl: Am 24. Dezember gibt’s keinen Sonntagsverkauf. Auch die ­Filiale im Bahnhof Bern, sonst am Sonntag offen, bleibt an Heiligabend zu. Für eine stille Nacht.

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